Infektanfälligkeit

Von , Medizinredakteurin
Sabrina Kempe

Sabrina Kempe ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie hat Biologie studiert und sich dabei besonders in die Molekularbiologie, Humangenetik und Pharmakologie vertieft. Nach ihrer Ausbildung zur Medizinredakteurin in einem renommierten Fachverlag hat sie Fachzeitschriften und eine Patientenzeitschrift betreut. Jetzt verfasst sie Beiträge zu Medizin- und Wissenschaftsthemen für Experten und Laien und redigiert wissenschaftliche Fachbeiträge von Ärzten.

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Ständig krank – ist das noch normal oder ein Zeichen für ein schwaches Immunsystem und damit eine erhöhte Infektanfälligkeit? Hier erfahren Sie, welche Symptome auf einen Immundefekt hinweisen und welche Behandlungsmöglichkeiten es hierfür gibt. Doch nicht nur Erkrankungen verursachen ein geschwächtes Immunsystem, auch bestimmte Medikamente und Therapien sowie Alter, Schwangerschaft und eine ungesunde Lebensweise.

Frau mit Erkältung im Regen - Infektanfälligkeit

Was bedeutet "krankhaft infektanfällig"?

Mediziner unterscheiden zwischen physiologischer und pathologischer (krankhafter) Infektanfälligkeit:

Physiologische Infektanfälligkeit

Babys kommen mit einem unreifen Immunsystem auf die Welt. Die Immunabwehr muss erst die Keime der Umgebung kennenlernen und Strategien entwerfen, diese zu bekämpfen - es entwickelt sich eine Immunität gegen den betreffenden Erreger. Es ist daher völlig normal, wenn Babys und kleine Kinder zum Beispiel gefühlt ständig erkältet sind - oder zumindest deutlich häufiger als Erwachsene. So durchleben Kinder bis zum Schulalter acht bis zwölf leichte Infektionserkrankungen pro Jahr, danach erkranken sie schon seltener.

Auch das Immunsystem von Erwachsenen muss sich immer wieder mit Krankheitserregern auseinandersetzen, mit denen es zuvor noch keinen Kontakt hatte. Jeder ist deshalb im Laufe des Jahres mal erkältet oder fängt sich eine Fußpilzinfektion oder eine Magen-Darm-Infektion ein.

Fachleute sprechen hierbei von einer physiologischen Infektanfälligkeit. In den meisten Fällen gewinnt das Immunsystem die Oberhand und bekämpft den Infektionserreger erfolgreich.

Pathologische Infektanfälligkeit

Doch es gibt auch Menschen, die empfindlicher auf Infektionserreger reagieren und daher sehr oft oder fast ständig krank sind. Zudem können Infektionskrankheiten bei ihnen anders und oftmals auch schwerer verlaufen. Fachleute bezeichnen dies als eine pathologische (krankhafte) Infektanfälligkeit. Dahinter steckt meist ein Immundefekt. Das bedeutet, die Immunantwort des Körpers auf einen Erreger oder auf körpereigene entartete Zellen ist unzureichend. Manche Immundefekte können aber auch zu überschießenden Immunreaktionen gegen körperfremde oder körpereigene Stoffe führen.

Experten unterscheiden angeborene und erworbene Immundefekte:

  • angeborener (primärer) Immundefekt: Sie sind von den Eltern vererbt. Allerdings treten angeborene Immundefekte bei der Hälfte der Betroffenen erst im Erwachsenenalter mit über 25 Jahren zutage.
  • erworbener (sekundärer) Immundefekt: Eine solche Immunschwächeerkrankung entsteht erst im Laufe des Lebens neu.

Angeborene Immundefekte

Primäre Immundefekte sind selten. Je nach der Art der angeborenen Immunschwäche sind verschiedene Teile des Immunsystems vom Defekt betroffen.

Beispielsweise kann die Entwicklung oder Reifung sowohl von T-Zellen als auch von Antikörper-produzierenden B-Zellen defekt sein. Das ist etwa beim Schweren kombinierten Immundefekt (severe combined immunodeficiency, SCID) der Fall - einer lebensbedrohlichen Form von primärer Abwehrschwäche.

Beim variablen Immundefektsyndrom (common variable immunodeficiency, CVID) dagegen funktionieren die T-Zellen einwandfrei. Aber es fehlen mehrere Antikörperklassen. Beim selektiven IgA-Mangel hapert es nur an einer Antikörperklasse (Immunglobulin A).

Warnzeichen und Diagnose

Es ist nicht ganz einfach, eine krankhafte von einer normalen Infektionsanfälligkeit abzugrenzen. Es lässt sich nämlich nicht pauschal sagen, wie viele Infektionen, welche Art von Infekten und welcher Verlauf der Krankheiten als normal gelten können. Wie oft ein Mensch krank ist, wird unter anderem von den Lebensumständen beeinflusst wie der Größe der Familie oder dem Besuch einer Kindertagesstätte.

Die Bandbreite an Symptomen für angeborene Immundefekte ist zudem groß - Art und Ausprägung der Symptome können individuell unterschiedlich ausfallen.

Wissenschaftler haben sich deshalb andere Parameter für eine krankhafte Infektanfälligkeit infolge einer primären Abwehrschwäche definiert. Dazu zählen etwa Infektionen, die ungewöhnlich lang andauern und/oder von Keimen verursacht werden, an denen Menschen mit einer gesunden Körperabwehr kaum erkranken.

Auch eine gestörte Immunregulation - erkennbar etwa an Autoimmunreaktionen wie bei Zöliakie - gelten als Warnzeichen für einen primären Immundefekt.

Bei solchen Warnzeichen können Mediziner über verschiedene Untersuchungen herausfinden, ob jemand tatsächlich eine angeborene Abwehrschwäche hat und welcher Art diese ist. Dabei helfen diverse Blutuntersuchungen und immunologische Untersuchungen. Gegebenenfalls auch genetische Tests.

Mehr über die Warnzeichen angeborener Immundefekte und die verschiedenen Diagnoseschritte lesen Sie unter "Immunschwäche - Diagnose".

Alle Neugeborenen werden auf SCID untersucht (Neugeborenenscreening). Für allen anderen primären Immundefekte gibt es kein großflächiges Screening.

Behandlung

Zunächst versuchen Ärzte bereits bestehende Infektionen zu behandeln, etwa mit Antibiotika (gegen Bakterien) oder Virostatika (gegen Viren). Solche Medikamente können Abwehrgeschwächten auch vorbeugend verordnet werden.

Ebenfalls vorbeugend gegen Infektionen wirken Impfungen. Sie sind deshalb für abwehrgeschwächte Patienten besonders ratsam. Welche Impfstoffe wann empfohlen werden und was beim Impfen unter Abwehrschwäche zu beachten ist, erfahren Sie im Beitrag Immunsuppression und Impfung.

Weitere Behandlungsmaßnahmen bei primären Immundefekten richten sich nach deren Art und Schweregrad. So lassen sich zum Beispiel fehlende Antikörper mit regelmäßigen Antikörperinfusionen ersetzen. Bei gestörter Immunregulation kommen oft Medikamente zum Einsatz, die Abwehrreaktionen unterdrücken (Immunsuppressiva wie Kortison). Auch Medikamente, die fehlregulierte Immunzellen abtöten (wie der künstlich hergestellte Antikörper Rituximab), können hilfreich sein.

In manchen Fällen besteht die Möglichkeit, eine primäre Abwehrschwäche mithilfe einer Knochenmarktransplantation zu heilen. Außerdem arbeiten Forscher an Gentherapien gegen angeborene Immundefekte. Ein erstes Medikament ist in einigen Ländern für Patienten mit SCID erhältlich.

Mehr über die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten lesen Sie unter Immunschwäche - Behandlung.

Erworbene Immundefekte

Eine Schwäche des Immunsystems muss nicht angeboren sein, sondern kann sich auch erst aufgrund äußerer Einflüsse entwickeln. Die Ursache für die häufigste erworbene Immunschwächeerkrankung AIDS (Acquired Immunodeficiency Syndrome, deutsch: erworbenes Immundefektsyndrom) ist die Infektion mit humanen Immundefizienzviren (HIV). Diese schwächen das Immunsystem des Infizierten so stark, dass sich der Körper noch nicht mal vor eigentlich harmlosen Erregern schützen kann. Auch Krebszellen haben leichteres Spiel - das Krebsrisiko der Betroffenen ist also erhöht.

Neben HIV können auch viele weitere (chronische) Erkrankungen die Immunabwehr beeinträchtigen, zum Beispiel:

Auch nach der Entfernung der Milz (Splenektomie) besteht eine erhöhte Infektanfälligkeit, zumindest für gewisse Infektionserreger.

Daneben beeinträchtigen bestimmte Therapien die Immunabwehr. Das gilt zum Beispiel für immunsuppressive Therapien, wie sie etwa bei Autoimmunerkrankungen und nach Organtransplantationen notwendig sind. Auch bei Krebs-Patienten, die eine Chemotherapie und/oder Strahlentherapie erhalten, ist die Körperabwehr geschwächt.

Mehr über Ursachen, Diagnose und Behandlung sekundärer Formen von Abwehrschwäche lesen Sie unter Immunschwäche.

Weitere Ursachen für Infektanfälligkeit

Neben Immundefekten, verschiedenen Erkrankungen und Therapien beeinflussen noch weitere Faktoren das Immunsystem. Einen negativen Effekt haben beispielsweise folgende Lebensstilfaktoren:

  • anhaltender Stress
  • Konsum von Alkohol und Nikotin
  • Mangelernährung (wie bei Magersucht) bzw. einseitige Ernährung
  • Übergewicht
  • Schlafmangel
  • psychische Belastungen
  • körperliche Überbelastung, aber auch Bewegungsmangel

Solche Faktoren können das Immunsystem schwächen und die Infektanfälligkeit erhöhen. Die Betroffenen fangen sich schneller eine Infektion ein, beklagen sich beispielsweise, ständig erkältet zu sein. Alle diese Faktoren lassen sich allerdings – anders als eine krankhafte Immunschwäche – mit einer gesunden Lebensweise unterbinden.

Darüber hinaus lässt im Alter die Fähigkeit des Immunsystems nach, den Körper vor Krankheitserregern zu schützen. Es zirkulieren unter anderem weniger funktionstüchtige Immunzellen im Blut. Ältere Menschen sind deshalb anfälliger für Infektionen und entwickeln zudem oft schwerere Krankheitssymptome als jüngere Erkrankte. Darüber hinaus kann das Immunsystem bei Älteren nicht mehr so gut zwischen körpereigenen und körperfremden Strukturen unterscheiden. Dadurch steigt das Risiko für Autoimmunerkrankungen, bei denen der Körper gegen eigene Bestandteile kämpft (wie zum Beispiel bei rheumatoider Arthritis).

Ebenso sind Schwangere anfälliger für Infektionen, etwa mit dem Grippevirus. Denn während einer Schwangerschaft passt sich das Immunsystem an die neue Situation an, unter anderem um den Fötus nicht abzustoßen. Für Schwangere ist es deshalb besonders wichtig, gesund zu leben.

Zwar sind Schwangere infektanfälliger, allerdings wirkt sich deren verändertes Immunsystem auch positiv auf bestehende Autoimmunerkrankungen der Frau aus (z.B. Multiple Sklerose).

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:
Sabrina Kempe

Sabrina Kempe ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie hat Biologie studiert und sich dabei besonders in die Molekularbiologie, Humangenetik und Pharmakologie vertieft. Nach ihrer Ausbildung zur Medizinredakteurin in einem renommierten Fachverlag hat sie Fachzeitschriften und eine Patientenzeitschrift betreut. Jetzt verfasst sie Beiträge zu Medizin- und Wissenschaftsthemen für Experten und Laien und redigiert wissenschaftliche Fachbeiträge von Ärzten.

Quellen:
  • Allergieinformationsdienst des HelmholtzZentrum München: "Störungen des Immunsystems" (Stand: 15.11.2018), unter: www.allergieinformationsdienst (Abruf: 22.03.2022)
  • Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V.: "Mein Kind hat ständig Infekte..." (Stand: 2018), unter: www.dgkj.de (Abruf: 22.03.2022)
  • Muntau, A.C.: Pädiatrie hoch2, Urban & Fischer Verlag / Elsevier GmbH, 2018
  • Neugeborenen-Screening Schweiz: Krankheiten, unter: www.neoscreening.ch (Abrufdatum: 22.03.2022)
  • Onkopedia-Leitlinie "Immundefekte, sekundäre" (Stand: 2019), unter: www.onkopedia.com (Abruf: 22.03.2022)
  • Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG): Aktuelle Information zum Österreichischen NeugeborenenScreening: Erweiterung um spinale Muskelatrophie (SMA) und schwere angeborene Immundefekte (SCID), unter: www.oeggg.at (Abrufdatum: 22.03.2022)
  • Prof. Dr. Volker Wahn - Immundefekt.de, Arztinformationen zu primären Immundefekten (PID) und unserem Immunsystem: "Primäre Immundefekte (PID) - Früherkennung Frühdiagnose Frühtherapie", unter: www.immundefekt.de (Abruf: 22.03.2022)
  • Pschyrembel Online, Klinisches Wörterbuch: www.pschyrembel.de (Abruf: 22.03.2022)
  • S2k-Leitlinie "Diagnostik auf Vorliegen eines primären Immundefekts - Abklärung von Infektionsanfälligkeit, Immundysregulation und weiteren Symptomen von primären Immundefekten" (Stand: Oktober 2017), unter: https://register.awmf.org (Abruf: 22.03.2022)
  • Universitätsklinikum Freiburg, Centrum für Chronische Immundefizienz: "CID Combined Immunodeficiency – verstehen, erkennen, behandeln", Patientenbroschüre, unter: www.uniklinik-freiburg.de (Abruf: 22.03.2022)
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