Tuberkulose-Impfung

Von , Arzt
und , Medizinjournalistin
Florian Tiefenböck

Florian Tiefenböck hat Humanmedizin an der LMU München studiert. Im März 2014 stieß er als Student zu NetDoktor und unterstützt die Redaktion seither mit medizinischen Fachbeiträgen. Nach Erhalt der ärztlichen Approbation und einer praktischen Tätigkeit in der Inneren Medizin am Uniklinikum Augsburg ist er seit Dezember 2019 festes Mitglied des NetDoktor-Teams und sichert unter anderem die medizinische Qualität der NetDoktor-Tools.

Sabine Schrör

Sabine Schrör ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie studierte Betriebswirtschaft und Öffentlichkeitsarbeit in Köln. Als freie Redakteurin ist sie seit mehr als 15 Jahren in den verschiedensten Branchen zu Hause. Die Gesundheit gehört zu ihren Lieblingsthemen.

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Bis Ende des 20. Jahrhunderts (1998) gab es eine Tuberkulose-Impfung. Die ständige Impfkommission (STIKO) des Robert Koch-Instituts (RKI) empfiehlt allerdings heutzutage keine Impfung mehr: Zum einen kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Komplikationen. Zum anderen treten in Deutschland nur noch wenig Tuberkulose-Fälle auf. Lesen Sie hier alles Wichtige zur Tuberkulose-Impfung.

Tuberkulose: Impung

Der Tuberkulose-Impfstoff

Bei der Impfung gegen Tuberkulose wird ein abgeschwächter Stamm des Krankheitserregers (Mycobakterien) verwendet. Es handelt sich also um eine Lebendimpfung.

Anfang des 20. Jahrhunderts züchteten die französischen Wissenschaftler Albert Camette und Camille Guérin Mycobakterium bovis, der insbesondere bei Rindern vorkommt. Die Erreger vermehrten sich auf einem speziellen Nährboden. Durch diesen verringerte sich die Schädlichkeit der Tuberkulose-Erreger. 1921 entwickelten die beiden Forscher daraus schließlich die Tuberkulose-Impfung. Der Impfstoff wurde nach seinen Entdeckern BCG (Bacillus Calmette-Guérin)-Impfstoff genannt.

Anwendung der Tuberkulose-Impfung

Der BCG-Impfstoff wird ausschließlich in die Haut gespritzt (intrakutane Injektion). Neugeborene und Säuglinge bis zur sechsten Lebenswoche dürfen problemlos geimpft werden.

Bei Kindern, die älter als sechs Wochen sind, wird zuvor jedoch der Tuberkulintest nach Mendel-Mantoux durchgeführt. Dabei wird eine geringe Dosis des Tuberkulose-Eiweißes Tuberkulin in die Haut gespritzt. Tritt an dieser Hautstelle keine oder eine sehr geringe gerötete Verhärtung auf, so ist der Test negativ. Nur dann darf auch bei diesen Kindern eine Impfung erfolgen.

Ob die Tuberkulose-Impfung erfolgreich durchgeführt worden ist, zeigt erneut der Tuberkulin-Test nach Mendel-Mantoux. Frühestens drei Wochen nach der Impfung sollte der Test positiv ausfallen. Es zeigt sich dann eine deutliche Verhärtung und Rötung an der Einstichstelle der Haut. Der Tuberkulintest ist auch noch Jahre nach einer erfolgten Tuberkulose-Impfung positiv. Daher sollte man den Arzt immer über durchgeführte Impfungen informieren. Fällt der Test hingegen negativ aus, wird nachgeimpft.

Wirksamkeit der Tuberkulose-Impfung

Dass eine BCG-Impfung Tuberkulose-Erkrankungen immer verhindert, ist leider nicht der Fall. Sie schützt weder vor einer Ansteckung noch vor der Weiterverbreitung der Erreger. Auch der Krankheitsverlauf einer Infektion wird bei Erwachsenen, die die Impfung erhalten haben, nur geringfügig beeinflusst.

Allerdings haben Studien gezeigt, dass die Impfung bei Kindern einen hohen Nutzen hat. Hier schützt sie zu ungefähr 80 Prozent insbesondere vor schweren Verläufen und Tuberkulose-Erkrankungen, die sich über den ganzen Körper ausbreiten.

Von altersspezifischen Unterschieden abgesehen, ist die Wirksamkeit des BCG-Impfstoffes auch in verschiedenen Ländern bzw. Regionen der Welt teils recht unterschiedlich. In einer 1995 von der London School of Hygiene and Tropical Medicine veröffentlichten Abhandlung wurde der Nutzen der Tuberkulose-Impfung weltweit verglichen. Der Impfstoff erwies sich demnach vor allem in Regionen Afrikas, Lateinamerikas und Asiens als am unwirksamsten. Die Gründe werden zum einen in den verschiedenen Umweltsituationen wie Stadt oder Land gesehen; zum anderen war auch die Qualität der an den jeweiligen Orten durchgeführten Studien, die zum Vergleich herangezogen wurden, sehr unterschiedlich.

Nebenwirkungen der Tuberkulose-Impfung

Da bei dieser Impfung Tuberkulose-Erreger verwendet werden, die noch leben (wenn sie auch abgeschwächt sind), kann sie zu Tbc-ähnlichen Anzeichen führen. Die häufigsten Nebenwirkungen der Tuberkulose-Impfung sind flächige Rötungen (Erytheme), Verhärtungen, Gewebsschäden und Narbenbildung. Zu den Gewebsschäden kommt es vor allem dann, wenn der Impfstoff nicht in, sondern unter die Haut, also subkutan, gespritzt wird.

Unter Umständen kann sich infolge der Impfung auch eine Entzündung und Schwellung von Lymphknoten entwickeln. Diese sogenannte Lymphadenitis kann bei einer von 1000 BGC-Impfungen auftreten.

In seltenen Fällen kommt es zu einer allergischen Entzündung der Augen. Sehr schwere Komplikationen wie eine Entzündung des Knochenmarks oder eine Hirnhautentzündung als Folge der Impfung treten kaum auf.

Gegenanzeigen (Kontraindikationen)

Nicht jeder kann gegen Tuberkulose geimpft werden: Patienten, die bereits an Tbc erkrankt sind oder bei denen der Tuberkulintest positiv ausfällt, dürfen nicht geimpft werden. Der Impfstoff enthält lebende Bakterien, die eine schon bestehende Infektion noch verschlimmern würden. Aus diesem Grund werden auch Menschen mit geschwächtem Abwehrsystem wie zum Beispiel HIV-Kranke nicht gegen Tuberkulose geimpft. Gleiches gilt für Schwangere sowie Patienten, deren Immunsystem medikamentös unterdrückt wird (etwa nach einer Organtransplantation).

Aktueller Stand der Tuberkulose-Impfung

Der BCG-Impfstoff wurde in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt. Ein Grund für die verzögerte Verwendung war unter anderem das Lübecker Impfunglück im Jahr 1930. Von 256 geimpften Kindern starben damals 77 – durch eine fehlerhafte Verarbeitung des Impfstoffes steckten sich die Kinder mit Tuberkulose an.

Seit 1998 wird die Tuberkulose-Impfung von der Ständigen Impfkommission (STIKO) nicht mehr empfohlen. Damit folgen die Experten einem Vorschlag der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Demnach ist es unnötig, pauschal gegen Tuberkulose zu impfen, wenn das Infektionsrisiko in der jeweiligen Bevölkerungsgruppe unter 0,1 Prozent liegt. Zur Veranschaulichung: Aus dem Jahrbuch des RKI von 2018 ergeben sich 5.429 Tuberkuloseerkrankungen. Das entspricht etwa 6,5 Fällen pro 100.000 Einwohner bzw. einer durchschnittlichen Neuerkrankungsrate von circa 0,0065 Prozent.

In Ländern, in denen Tuberkulose besonders häufig auftritt, empfiehlt die WHO jedoch nach wie vor, gegen Tbc zu impfen. Gleiches gilt, wenn nicht vermieden werden kann, dass Kinder mit widerstandsfähigen (resistenten) Erregern in Berührung kommen, etwa durch einen erkrankten Elternteil – unabhängig von der Tuberkulose-Situation im jeweiligen Land. Handelt es sich um Kontakt zu nicht-resistenten Bakterienstämmen, empfiehlt die WHO vorbeugend eine sogenannte Chemoprophylaxe mit Isoniazid. Bei Reisen in Länder mit einer hohen Zahl an Tuberkulose-Erkrankungen wird jedoch keine BCG-Impfung empfohlen. Allerdings kann man dann nach der Rückkehr einen Tuberkulintest durchführen.

Neue Impfstoff-Forschung

Seit einigen Jahren forschen Wissenschaftler weltweit daran, mit neue Impfungen Tuberkulose-Infektionen erfolgreich einzudämmen. Dabei wird beispielsweise versucht, die Wirkung des bisherigen BCG-Impfstoffs durch einen weiteren Impfstoff zu steigern.

Ein anderer Ansatz besteht darin, den alten BCG-Impfstoff zu verbessern. So wurde vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie der Impfstoff VPM 1002 entwickelt und seit 2008 vielversprechend klinisch getestet. Er enthält ebenfalls den Erreger-Stamm Mycobakterium bovis. Das Erbgut dieser Erreger wurde aber so verändert, dass sie vom menschlichen Abwehrsystem besser erkannt werden. Experten schätzen, dass acht Millionen Todesfälle durch eine derart verbesserte Tuberkulose-Impfung verhindert werden könnten.

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Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

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Sabine Schrör
Sabine Schrör

Sabine Schrör ist freie Autorin der NetDoktor-Medizinredaktion. Sie studierte Betriebswirtschaft und Öffentlichkeitsarbeit in Köln. Als freie Redakteurin ist sie seit mehr als 15 Jahren in den verschiedensten Branchen zu Hause. Die Gesundheit gehört zu ihren Lieblingsthemen.

ICD-Codes:
A18A19A17A16A15
ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.
Quellen:
  • Bundesamt für Gesundheit (BAG): Schweizerischer Impfplan 2021, unter: www.bag.admin.ch (Letztes Abrufdatum: 10.11.2021)
  • Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz: Impfplan Österreich 2021, unter: www.sozialministerium.at (Letztes Abrufdatum: 10.11.2021)
  • Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz: Tuberkulose (TBC), unter: www.sozialministerium.at (Letztes Abrufdatum: 10.11.2021)
  • Jilg, W.: Der Impfkurs, Hüthig Jehle Rehm, 3.Auflage, 2018
  • Max-Planck-Gesellschaft: "Tuberkulose - Impfstoff wird in Phase-II-Studie getestet", unter www.mpg.de, Abruf vom 07.04.2020
  • Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie: "Neue Waffen gegen Tuberkulose", unter www.mpiib-berlin.mpg.de, Abruf vom 07.04.2020
  • Österreichische Agentur für Ernährungssicherheit (AGES): Tuberkulose (TBC), unter: www.ages.at (Letztes Abrufdatum: 10.11.2021)
  • Robert-Koch-Institut (RKI): "Epidemiologisches Bulletin 11/2020, Tuberkulosetag 2020" (Stand: 12.03.2020), unter www.rki.de
  • Robert Koch Institut (RKI): "Schutzimpfung gegen Tuberkulose", unter www.rki.de, Abruf vom 07.04.2020
  • Spiess, H. et al.: Impfkompendium, Georg Thieme Verlag, 9.Auflage, 2017
  • Statistik-Portal Statista: Anzahl der Tuberkulose-Infektionen (Neuerkrankungen) in der Schweiz von 1970 bis 2020, unter: www.de.statista.com (Letztes Abrufdatum: 10.11.2021)
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