Gläser mit bunten Bonbons

Wie Zucker chronische Darmentzündungen fördert

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Die Darmschleimhaut muss sich unentwegt erneuern. Diesen Prozess könnte ein hoher Zuckerkonsum stören – und so chronische Darmentzündungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa begünstigen.

Der Zuckerkonsum ist in den westlichen Industriestaaten geradezu explodiert: In den letzten 40 Jahren stieg er um 127 Prozent. Parallel nahm auch die Zahl der chronischen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa zu. Untersuchungen haben Hinweise darauf geliefert, dass Menschen, die besonders viel Zucker zu sich nehmen, eher ein solches Leiden entwickeln.

Forschende um Timothy Hand von der University of Pittsburgh haben nun einen Mechanismus aufgedeckt, der erklärt, wie hohe Zuckermengen den Darm schädigen können – wenn auch indirekt. Dabei konzentrierten sie sich auf raffinierten Haushaltszucker (Saccharose). Anders als komplexere Kohlenhydrate beispielsweise aus Vollkornprodukten oder Gemüse ist er sehr schnell verwertbar. In der ursprünglichen menschlichen Ernährung kamen solche Zucker nur in geringem Maße vor. Der Körper ist darauf nicht vorbereitet.

Darmmodell in der Petrischale

Für ihr Experiment verwendeten die Forschenden sogenannte Organoide. Dabei handelt es sich um Zellkomplexe, die auf Basis von Stammzellen im Labor gezüchtet werden. Sie organisieren sich zu Strukturen, die ähnlich wie die entsprechenden Organe arbeiten. In diesem Fall haben die Forschenden Darm-Organoide geschaffen, die Funktionen der Darmschleimhaut besitzen.

Die Organoide setzte das Team nun einer Zuckerlösung aus. In der Folge konnten sie beobachten, dass sich die Schleimhautzellen nicht wie sonst üblich erneuerten.

Für eine gesunde Darmfunktion ist dieser Regenerationsprozess essenziell. Er gewährleistet, dass der Darm einerseits täglich große Mengen Nährstoffe in die Blutbahn schleusen kann – andererseits aber auch Schadstoffe und Krankheitserreger abwehrt.

Der Darm muss sich unentwegt regenerieren

Der Verschleiß ist dabei hoch: Alle vier bis fünf Tage erneuert sich die Darmschleimhaut komplett. Dazu produzieren Stammzellen in den sogenannten Krypten unentwegt neue Darmschleimhautzellen. Bei den Krypten handelt es sich um drüsenartige Strukturen in der Darmwand, die in der Senke zwischen den Darmzotten sitzen.

Genauere Analysen ergaben, dass sich bei hohem Zuckerkonsum Pyruvat in den Zellen der Krypten anreicherte. Dabei handelt es sich um ein Zwischenprodukt der Zuckerverwertung, das in einem nächsten Schritt von der Zelle zu ATP umgewandelt wird, der eigentlichen „Energiewährung“ des Körpers. Doch dieser Umwandlungsprozess wird bei zu hohem Zuckerkonsum offenbar gestört.

Experimente mit Mäusen zeigten, wie gravierend die Auswirkungen von Zucker sein können: Tiere, deren Darmschleimhaut durch die Einwirkung eines Salzes (Dextransulfat) geschädigt wurde, erholten sich innerhalb von 14 Tagen wieder. Erhielten die Tiere aber gleichzeitig eine extrem zuckerhaltige Lösung, verendeten sie innerhalb weniger Tage.

Zucker hemmt die Darmregeneration

„Insgesamt deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass ein kurzfristiger Überschuss an Saccharose in der Nahrung den Stoffwechsel der Darmkryptenzellen direkt verändern und die regenerative Neuentstehung von Darmstammzellen hemmen kann“, schreiben die Forschenden.

Demnach könnten Diäten die Behandlung akuter Darmschädigungen möglicherweise unterstützen. Beispiele dafür wären neben entzündlichen Darmerkrankungen wie Colitis Ulcerosa und Morbus Crohn auch schwere Magen-Darm-Infekte oder eine Strahlentherapie.

Zucker ist allgegenwärtig

Haushaltszucker steckt nicht nur in Süßigkeiten und Limonaden, er wird auch in industriellen Lebensmitteln reichlich zugesetzt. Fruchtjoghurt, Ketchup, Knuspermüsli aber auch Chips, Tiefkühlpizza, Brot, Wurst und Gewürzgurken wird Zucker zugefügt.

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • Ansen H. P. Burr et al.: Dietary Sugar Alters Colonocyte Metabolism and Impairs the Proliferative support the treatment of acute intestinal injury1. Juni 2023, https://doi.org/10.1016/j.jcmgh.2023.05.001)
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