PSA-Test

Prostatakrebs: Ist der PSA-Test doch sinnvoll?

Von , Chefredakteur und Humanmediziner
Jens Richter

Jens Richter ist Chefredakteur bei NetDoktor. Seit Juli 2020 ist der Mediziner und Journalist außerdem als COO für den Geschäftsbetrieb und die strategische Weiterentwicklung von NetDoktor verantwortlich.

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Hollywoodstar Ben Stiller ließ ihn machen und sein Prostatakrebs wurde rechtzeitig erkannt. Doch auch in der Wissenschaft hat die Diskussion über den PSA-Bluttest eine überraschende Wende erfahren.

Hollywood-Star Ben Stiller ist überzeugt: Dass er seine Prostatakrebs-Erkrankung überwinden konnte, verdankt er einem rechtzeitig durchgeführten PSA-Test. Der habe vor zwei Jahren seine Krankheit so zeitig aufgedeckt, dass er erfolgreich operiert werden konnte. Heute könne er sich als krebsfrei bezeichnen, sagte der 50-Jährige unlängst in einer großen US-Talkshow.

Damit hat der unter Medizinern seit Jahren umstrittene Bluttest einen prominenten Fürsprecher bekommen. Doch weitaus wichtiger für eine Neueinschätzung des medizinischen Nutzens dürfte eine sogenannte Reevaluation, also eine Neubewertung der wichtigsten Studie zum Thema sein, die Forscher aus New York jetzt im angesehenen New England Journal of Medicine veröffentlichten. Denn sie deckten einen eklatanten Fehler in der damaligen Untersuchung auf.

Eine der meistbeachteten Studien zur Krebsvorsorge

Die Vorgeschichte: An der vielbeachteten Krebsvorsorge-Studie mit dem Namen Prostate, Lung, Colorectal and Ovarian Cancer Screening Trial, kurz PLCO, nahmen zwischen 1993 und 2001 knapp 77.000 Männer teil. Sechs Jahre lang unterzog sich ein Teil von ihnen jährlich einem PSA-Bluttest und einer Tastuntersuchung der Prostata (rektale Untersuchung), während eine Kontrollgruppe keine Früherkennungsuntersuchungen erhielt.

Zwar wurden in der Screening-Gruppe 22 Prozent mehr Prostatakrebs-Diagnosen gestellt. Einen bedeutsamen Unterschied in der durch Prostatakrebs bedingten Sterblichkeit zeigte die Studie allerdings nicht. Damals eine Sensation, denn auch wenn die Interpretation der PSA-Blutwerte nicht unkompliziert ist, galt der Test bis dahin doch als einfache und wirksame Früherkennungsuntersuchung.

Eklatante Schwächen in der Auswertung

Doch „PLCO“ hatte eine – den Forschern damals durchaus bekannte – Schwäche: Man wusste, dass sich viele Probanden der eigentlich screeningfreien Kontrollgruppe außerhalb der Studie dennoch einem PSA-Test unterzogen. Es war also möglich, dass bei diesen Männern ohne Mitwirken der Studienautoren Krebserkrankungen festgestellt – und behandelt wurden. Den Anteil der so gescreenten Männer ermittelten die Wissenschaftler damals mit 40 bis 50 Prozent.

Mit dieser Zahl allerdings lagen sie völlig daneben, wie eine jetzt erfolgte Neuauswertung der Befragungen zeigt: In Wirklichkeit hatten nämlich wohl rund 90 Prozent der Kontrollgruppe außerhalb der Studie ihren PSA-Wert testen lassen, ermittelte ein Team um den Urologen Jonathan E. Shoag vom New Yorker Presbyterian Hospital.

Die PLCO-Studie hat also in einer entscheidenden Frage überhaupt keine Aussagekraft. Aber möglicherweise fatale Konsequenzen. Denn in ihrer Folge riet ein wichtiges US-Gremium zur Bewertung von Vorsorgeuntersuchungen (U.S. Preventive Services Task Force) von der Verwendung des PSA-Tests zur Früherkennung ab. Er wurde daraufhin erheblich seltener durchgeführt – und prompt sank die Zahl der Prostatakrebsdiagnosen in den USA ebenfalls deutlich.

Folgen auch in Deutschland

Eine ähnliche Entwicklung gibt es auch in anderen westlichen Industrieländern, unter anderem in Deutschland, wo nicht nur die US-Studie Nachhall fand. Auch das Risiko falsch positiver Diagnosen oder die Gefahr, dass man einen via PSA-Test entdeckten Tumor massiv behandelt, obwohl dies gar nicht nötig gewesen wäre, führte hierzulande zu einer wachsenden Zurückhaltung im Einsatz des PSA-Tests. Deshalb werden auch seine Kosten von den gesetzlichen Krankenkassen nicht erstattet, sondern müssen als „individuelle Gesundheitsleistungen“ (iGel) vom Patienten selbst getragen werden. 

Deutsche Urologen wollen den Test

Die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) befürwortete auf ihrem jüngst zu Ende gegangenen Jahreskongress den Einsatz des PSA-Tests ausdrücklich als „einen der besten Tumormarker“. Das damals aufsehen­erregende Ergebnis aus den USA „entpuppt sich heute als Ente“, schreibt der Rostocker Urologe Prof. Oliver Hakenberg in einem Pressestatement der DGU.

Die deutschen Urologen berufen sich in ihrer Empfehlung unter anderem auf europäische Untersuchungen wie die „Europäische Screeningstudie“ (ERSPC), die dem PSA-Test sehr wohl eine Senkung der Mortalität durch Prostatakrebs zuschreiben.

Jeder gesunde Mann hat PSA

PSA ist eine Abkürzung für „prostataspezifisches-Antigen“ – ein Eiweiß, welches ausschließlich von der Prostata gebildet wird und der Verflüssigung des Spermas dient. PSA kann also auch bei gesunden Männern nachgewiesen werden. Der PSA-Normwert ist altersabhängig, kann aber individuell stark schwanken. Grenzwerte können daher in der Krebsvorsorge nur als Orientierung dienen. Bei zu hohen Werten sind weitere Untersuchungen erforderlich, um eine sichere Krebsdiagnose zu stellen.

Autoren- & Quelleninformationen

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Jens Richter ist Chefredakteur bei NetDoktor. Seit Juli 2020 ist der Mediziner und Journalist außerdem als COO für den Geschäftsbetrieb und die strategische Weiterentwicklung von NetDoktor verantwortlich.

ICD-Codes:
C61
ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.
Quellen:
  • J.E. Shoag, J.C. Hu: „Reevaluating PSA Testing Rates in the PLCO Trial“, N Engl J Med 2016, DOI: 10.1056/NEJMc1515131
  • Zentrum für Krebsregisterdaten (ZfKD): „Prostatakrebs“ (Abruf am 05.10.2016)
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