Nudeln; Pasta; Kohlenhydrate

Wenig Eiweiß, schneller Stoffwechsel

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Überraschender Befund: Wer wenig Eiweiß isst, verbrennt mehr Energie und hat bessere Blutzuckerwerte – sogar dann, wenn er reichlich Kohlenhydrate verspeist.

„Low Carb“ ist seit einiger Zeit der vorherrschende Diättrend. Low Carb bedeutet wenig Kohlenhydrate - dafür ist mehr Fett erlaubt. Vor allem aber wird eiweißreicher gegessen. Klingt einleuchtend. Denn Eiweiß wird langsamer verdaut und hält länger satt als kohlenhydratreiche Kost. Vor allem lässt Eiweiß - anders als schnell verstoffwechselbare Kohlenhydrate - den Blutzucker und damit die Insulinausschüttung nicht nach oben schießen. Das erschwere, dass Fettdepots abgebaut werden, argumentieren Vertreter der Low-Carb-Bewegung.

Gesteigerte Verbrennung

Tatsächlich könnte es aber ganz anders sein. Eine proteinarme Diät scheint die Fett- und Kohlehydrat-Verbrennung nämlich zu steigern – und damit den Energieverbrauch. Und auch der Stoffwechsel profitiert offenbar: Der Insulin- und Blutzuckerspiegel sinkt bei einer eiweißarmen, kohlenhydratbetonten Ernährung, statt zu steigen. Zudem bessern sich die Blutfettwerte.

Das zumindest haben Untersuchungen von Forschern des Deutschen Krebsforschungszentrums gezeigt. „Wir haben beobachtet, dass eine Proteinreduktion sowohl bei Mäusen als auch bei Menschen mit einem verbesserten Zuckerstoffwechsel einhergeht – und das obwohl sie insgesamt mehr Kohlenhydrate zu sich nahmen“, sagt Studienleiter Adam Rose im Gespräch mit NetDoktor.

Körpereigener Schlankmacher

Eine zentrale Rolle an diesem zunächst paradox anmutenden Ergebnis spielt ein spezielles Hormon, der Fibroblasten-Wachstumsfaktor 21, kurz (FGF21). Schon frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass er vor Gewichtszunahme und Diabetes schützen kann. Genmanipulierte Mäuse, die vermehrt FGF21 bildeten, wurden auch bei besonders fettreicher Nahrung nicht dick und ihr Zuckerstoffwechsel blieb stabil.

Bessere Blutzuckerwerte

Genau dieser körpereigene Schlankmacher stieg im Blut von Mäusen, denen die Forscher fünf statt 20 Prozent Eiweiß mit dem Futter servierten. Obwohl die Tiere etwas mehr fraßen, nahmen sie langsamer zu als ihre eiweißreicher ernährten Artgenossen. Sogar bereits bestehende Insulinresistenzen, die die Ursache für Typ-2-Diabetes sind, bildeten sich bei ihnen zurück.

FGF21 dockt an spezielle Rezeptoren an, die in den Zellwänden der Bauchspeicheldrüse, des Fettgewebes aber auch in der Leber vorkommen. Das Hormon, so die Erklärung der Forscher, löst offenbar eine Stressreaktion in dem Organ aus, die sich aber positiv auswirkt. Tatsächlich ist die Leber nicht nur für Entgiftungsprozesse wichtig, sie speichert auch Energiereserven in Form von Fett und Zucker und hat einen entscheidenden regulatorischen Einfluss auf den Stoffwechsel.

Viele Kohlenhydrate, wenig Eiweiß

Ob eine eiweißreduzierte Ernährung sich ähnlich günstig auf den menschlichen Stoffwechsel auswirken kann, überprüften die Forscher an fünf jungen, gesunden Männern. Sie wurden sieben Tage auf eine nicht ganz so strenge Diät gesetzt wie zuvor die Mäuse: Ihre Nahrung enthielt immerhin noch einen Eiweißanteil von neun Prozent. Dennoch maßen die Forscher bei den Teilnehmern anschließend hohe FGF21-Werte, dagegen trotz erhöhter Kohlenhydrataufnahme niedrigere Blutzucker- und Insulinspiegel. “Eine hohe Kohlenhydratzufuhr scheint also unproblematisch zu sein, solange sie mit einer reduzierten Proteinaufnahme einhergeht“, sagt Rose.

Eiweißsparen gegen Diabetes?

Die Ergebnisse könnten insbesondere für Menschen wichtig sein, denen ein Typ-2-Diabetes droht: „Möglicherweise ist eine proteinarme Diät eine hervorragende und einfache Methode, um einen entgleisenden Zuckerstoffwechsel wieder in den Griff zu bekommen“, sagt Rose. Allerdings seien weitere Untersuchungen notwendig, um eine seriöse Empfehlung machen zu können. Rose und sein Team wollen daher die Effekte nun auch auf molekularer Ebene und an einer größeren Personengruppe erforschen.

Ob eine eiweißarme Diät auch zum Abnehmen taugt, kann der Forscher nicht sagen, da dies nicht Teil der Forschungsarbeit war. Wer mit Low Carb aber nicht den gewünschten Erfolg hat, für den wäre eine eiweißarme Ernährung aber vielleicht einen Versuch wert.

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

ICD-Codes:
E11E10E13O24H36E12E14
ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.
Quellen:
  • Adam J. Rose et al.: A liver stress-endocrine nexus promotes metabolic integrity during dietary protein dilution, J Clin Invest. 2016;126(9):3263–3278. doi:10.1172/JCI85946.
  • Yang Li et al.: Treating Diabetes and Obesity with an FGF21-Mimetic Antibody Activating the ßKlotho/FGFR1c Receptor Complex, Science Translational Medicine, 28 Nov 2012: Vol. 4, Issue 162, pp. 162ra153. doi: 10.1126/scitranslmed.3004690
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