Frau misst Blutzucker

Diabetes: Heilung durch Fasten?

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Intervallfasten! Saftfasten! Basenfasten! Das gute alte Heilfasten kommt seit ein paar Jahren in unterschiedlichsten Facetten daher - und ist plötzlich ziemlich trendy. Die einen hoffen damit abzunehmen, andere wollen lernen, wieder bewusster zu genießen. Für viele aber steht der Gesundheitsaspekt im Vordergrund. Tatsächlich bestätigen immer mehr Studien, dass Fasten nicht nur gesund hält, sondern auch gesund machen kann.

Ein Beispiel dafür ist Diabetes Typ 2. „Schon, wenn man über einen Zeitraum von 16 Stunden nicht isst, verbessert sich der Zuckerstoffwechsel“, sagt Prof. Stephan Herzig von Helmholtz Diabetes Center Neuherberg im Gespräch mit NetDoktor.

Davon profitieren nicht nur die aktuellen Blutzuckerwerte: „Viel spannender ist: Auch die Zuckeraufnahme und Verarbeitung im Körper verbessert sich“, sagt der Diabetologe. Gerade diese Prozesse sind bei Menschen mit einem Typ-2-Diabetes gestört. Und Fasten, so die Hoffnung, könnte das wieder umkehren.

Körperzellen reagieren schlecht auf Insulin

Ein Diabetes entwickelt sich schleichend. Es beginnt damit, dass die Körperzellen immer schlechter auf das Hormon Insulin ansprechen. In dem Fall sprechen Mediziner von einer reduzierten Insulinsensitivität oder einer Insulinresistenz.

Insulin hat die Aufgabe eines Pförtners: Er schleust Zucker aus dem Blut zur weiteren Verwertung in die Zellen. Funktioniert das nur noch eingeschränkt, fährt der Körper die Insulinproduktion herauf, um den Blutzuckerspiegel im Griff zu behalten. Der Betroffene gerät unbemerkt in einen Zustand des sogenannten Prädiabetes: Der Zuckerstoffwechsel ist bereits angeschlagen, doch man spürt noch nichts davon.

Zuckerstoffwechsel erholt sich beim Fasten

„Nach einer Fastenkur können die Hormone wieder besser wirken. Zuckeraufnahme und Verarbeitung profitieren davon“, sagt Herzig. Mit Fasten kann man daher einem Diabetes schon im Vorfeld vorbeugen – das ist schon länger bekannt. Vor allem Risikokandidaten können diese Strategie verfolgen. Dazu gehören Menschen mit Übergewicht und nahe Verwandte von Diabetespatienten.

Doch hilft Fasten auch noch, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, sich also ein Typ-2-Diabetes bereits manifestiert hat? Tatsächlich deuten inzwischen verschiedene Untersuchungen darauf hin, dass genau das möglich sein könnte.

Beginnt Diabetes in der Leber?

Eine zentrale Rolle spielt dabei offenbar die Leber. Sie dient nicht nur der Entgiftung des Blutes, sie ist auch eine Art Durchgangslager für Energie in Form von Zucker und Fett. Das ist praktisch, denn so kann sie dem Körper bei Bedarf schnell Energie zur Verfügung stellen. Bei einem dauernden Überangebot an Nährstoffen lagert die Leber jedoch zu viel Fett ein: „80 Prozent aller Übergewichtigen haben eine Fettleber“, sagt Herzig. Langfristig baut sich das Lebergewebe um und vernarbt: Es entsteht eine Leberzirrhose.

Eine Fettleber aber begünstigt Diabetes und könnte sogar eine Schlüsselrolle im Krankheitsprozess spielen. Manche Forscher mutmaßen, dass sich das Organ gegen die Verfettung wehrt, indem es seine Insulinsensivität herabsetzt. „Wenn aber die Leber nicht mehr auf Insulin reagiert, hat das auch Auswirkungen auf dem Gesamtstoffwechsel“, bestätigt Herzig. Dann könnten Mechanismen ablaufen, die sich gegenseitig immer weiter verstärken.

Fasten gegen die Fettleber

Das effektivste Mittel gegen eine Fettleber? Ist wiederum Fasten! Denn die Leber spricht besonders gut auf ein solches Hungerregime an. „Wenn man es schafft, Leberfett abzubauen, reagieren die Zellen wieder sensibler auf Insulin– und zwar im gesamten Organismus“, so Herzig.

Für Diabetiker kann das konkret bedeuten, dass sie nach einer Fastenkur weniger zuckersenkende Medikamente benötigen, oder dass Typ-2-Diabetiker, die Insulin benötigen, wieder von der Spritze wegkommen. Bei manchen Patienten normalisiert sich der Blutzuckerhaushalt sogar so weit, dass sie anschließend gar keine Medikamente mehr brauchen.

Sind diese Diabetiker also geheilt? „Die Effekte, die man nach dem Fasten beobachtet, lassen sich auf eine verbesserte Insulinsensivität zurückführen. Die Frage ist, ob man schon von einer echten Remission sprechen darf“, sagt Herzig. Gemeint ist damit, dass die Ursache der Erkrankung wirklich zurückgedreht wurde. „Dazu gehört noch mehr“, so der Diabetologe.

Die Bauchspeicheldrüse erschöpft sich

Denn die Insulinresistenz der Körperzellen ist nur einer der Gründe, warum der Blutzucker bei Typ-2-Diabetikern klettert. Im Verlauf der Erkrankung machen auch die insulinliefernden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse schlapp, weil sie unentwegt gegen die Insulinresistenz ankämpfen müssen. Spätestens dann kann der Körper die Zuckerschwemme nicht mehr aus dem Blut schaufeln: Der Blutzucker steigt immer höher. „Erst wenn das passiert, haben wir es mit einem wirklichen Typ-2-Diabetes zu tun“, sagt Herzig.

Neustart für die Betazellen

Dass man durch Fasten zugrunde gegangene Beta-Zellen tatsächlich wiederbeleben kann, legen erste Studien an Mäusen nahe. „Diese Theorie steht jetzt im Raum“, sagt Herzig.

Beispielsweise setzten Forscher um Dr. Christian Baumeier vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Diabetesmäuse vier Tage am Stück auf eine extrem kalorienarme, sogenannte Fasten-imitierende Diät. Zucker und Eiweiße wurden fast völlig gestrichen, lediglich kurzkettige Fettsäuren wurden verfüttert. Im Anschluss begannen Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse der Tiere tatsächlich wieder Insulin zu produzieren und die Blutzuckerwerte der Nager sanken.

Die Forscher vermuten, dass die Betazellen durch das Hungerregime reprogrammiert und in ihren funktionstüchtigen Grundzustand zurückversetzt wurden. Möglich wäre aber auch, dass sich ganz neue Zellen gebildet haben.

Kritiker der vielbeachteten Studie bezweifeln allerdings, dass sich die Ergebnisse auf den Menschen übertragen lassen. Herzig ist vorsichtig optimistisch: „Das wäre eine echte Remission“, sagt der Diabetologe.

Fasten wirkt in jedem Krankheitsstadium

Normale Blutzuckerwerte durch Fasten? Die Chancen dafür stehen besonders für Diabetiker gut, deren Erkrankung erst seit vergleichsweise kurzer Zeit besteht. Bei ihnen wirken Änderungen des Lebensstils grundsätzlich besser als bei Langzeitpatienten. Auch ein intensives Sportprogramm oder ein erheblicher Gewichtsverlust können bei „frischen Diabetikern“ die größte Wirkung entfalten. Experten empfehlen daher, nach der Diagnosestellung massiv gegen die Krankheit vorzugehen.

Doch auch langjährige Diabetiker profitieren von Fastenprogrammen. In einer kleinen Fallstudie gelang es Forschern um Dr. Suleiman Furmli von der Universität Toronto beispielsweise, drei Patienten, die seit 10 bis 25 Jahren an Diabetes litten, mit tageweise intermittierendem Fasten langfristig vom künstlichen Insulin unabhängig zu machen.

Herzigs Kollegen am Helmholzzentrum erforschen wiederum, wie Fasten sich auf die Spätfolgen von Diabetes auswirken kann. Beispielsweise schädigen die hohen Zuckerspiegel auf Dauer die Nieren. „Gegen solche Nephropathien gibt es bislang keine wirksame Therapie“, erklärt der Diabetologe. Durch Fasten erholten sich die Organe aber teilweise, fanden die Helmholz-Forscher heraus.

Kein Fasten auf eigene Faust!

Fasten scheint sich für Diabetiker also in jedem Fall auszuzahlen. Ob klassisches Buchingerfasten über eine oder mehrere Wochen, Intervallfasten mit Essenspausen zwischen 16 und 36 Stunden oder eine Fasten-imitierende Diät – für alle Formen gibt es Studien, die belegen, dass sie sich auf einen Diabetes günstig auswirken.

Auf eigene Faust sollten Diabetiker eine Fastenkur jedoch nicht durchziehen. Herzig rät dringend zu einer engen Abstimmung mit der behandelnden Ärztin oder dem Arzt. Insbesondere wenn die Patienten Insulin spritzen, muss die Dosierung angepasst werden. „Man muss aufpassen, damit man nicht in den Unterzucker rutscht. Das kann sonst gefährlich werden“, warnt Herzig. Häufiges Blutzuckermessen ist daher beim Fasten Pflicht.

Welche Fasten-Methode ist die beste?

Welche Form des Fastens am wirksamsten ist, ist noch offen – aber auch zweitrangig: „Man muss sich ein Schema überlegen, das man lange durchhält“, sagt Herzig. Zweimal pro Woche einen ganzen Tag fasten, sei schon ziemlich viel. „Wenn man das nur ein, zwei Wochen durchhält, bringt das wenig.“ Vermutlich sei es für die meisten am einfachsten, eine Mahlzeit am Tag wegzulassen, zum Beispiel das Frühstück. „Dann kann man den Rest des Tags ganz normal leben und essen.“

Autoren- & Quelleninformationen

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • Baumeier C. et al.: Caloric restriction and intermittent fasting alter hepatic lipid droplet proteome and diacylglycerol species and prevent diabetes in NZO mice. In: Biochimica et Biophysica Acta (BBA) - Molecular and Cell Biology of Lipids, 2015, 1851(5): 566–576
  • Chia-Wei Cheng: Fasting-Mimicking Diet Promotes Ngn3-Driven β-Cell Regeneration to Reverse Diabetes, Cell Published: February 23, 2017DOI:https://doi.org/10.1016/j.cell.2017.01.040
  • Deutsches Institut für Ernährungsforschung (DIfE): Intervall-Fasten optimiert den Energiestoffwechsel und schützt vor Typ-2-Diabetes. Pressemitteilung vom 02.04.2015
  • Suleiman Furmli et al.: Therapeutic use of intermittent fasting for people with type 2 diabetes as an alternative to insulin, BMJhttps://casereports.bmj.com/content/2018/bcr-2017-221854
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