Gemüse; Teller

Vollwertkost gegen Depressionen?

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Mehr Vollkorn, Gemüse, Olivenöl und Fisch - lassen sich Depressionen mit einer Ernährungsumstellung vertreiben?

Depressionen sind extrem belastend: Sie lähmen den Menschen, rauben ihm Hoffnung und Freude – manchmal sogar den Lebenswillen. Und obwohl Wissenschaftler seit Jahrzehnten versuchen, den Ursachen auf den Grund zu gehen, weiß man noch immer nicht genau, warum sich bei manchen Menschen das Gemüt verfinstert.

Auch darum sind die Behandlungsmöglichkeiten bei Depressionen derzeit noch begrenzt: Psychotherapie und Antidepressiva – das sind die wesentlichen Behandlungsoptionen. Doch längst nicht jedem Patienten kann so geholfen werden: Auf 30 bis 45 Prozent beziffern Experten den Anteil der Depressiven, bei denen eine solche Behandlung versagt.

Ernährungsumstellung als Therapiemaßnahme?

Um so erstaunlicher scheint es, dass eine schlicht anmutende Maßnahme in der Lage sein soll, Depressionen zu vertreiben: eine Ernährungsumstellung.

„Tatsächlich sehen wir seit Jahren, dass die Menschen weltweit immer dicker werden, weil sie zu viel und vor allem falsch essen. Parallel dazu nehmen mentale Störungen in jeder Altersklasse zu“, erklärt Felicia Jacka von der University of Melbourne. Reiner Zufall? Daran mochte die Psychiaterin nicht glauben.

Fördert Fastfood Depressionen?

Schon 2013 hat sie eine Untersuchung dazu veröffentlicht. Darin wies sie nach, dass zunächst seelisch stabile Menschen, die sich mit reichlich Weißmehl, gesättigten Fetten, Zucker oder auch Fastfood ernährten, ein um ein Drittel höheres Risiko hatten, später an einer Depression oder Angststörung zu erkranken.

„Auf eine solche Ernährung wurde der menschliche Körper von der Evolution nicht vorbereitet“, sagt die Forscherin. Positiv aufs Gemüt wirkt sich im Gegensatz dazu eine Kost mit reichlich Obst und Gemüse, Vollkornprodukten, Nüssen, ungesättigten Fetten, magerem Fleisch und Fisch aus. Ähnlich Ergebnisse wie die australische Studie lieferten Untersuchungen aus Japan, Spanien oder Norwegen. Es scheint, als könne man mit einer vollwertigen Ernährung psychischen Erkrankungen tatsächlich vorbeugen.

Depressionen vertreiben

Doch können die richtigen Dinge auf dem Teller auch helfen, wenn eine psychische Erkrankung bereits ausgebrochen ist? Genau das haben Jacka und Kollegen im Rahmen einer Untersuchung mit 67 Depressionspatienten jetzt gezeigt. Ein Teil von ihnen nahm Antidepressiva ein oder machte eine Psychotherapie. Die übrigen waren noch nicht behandelt worden. Eines aber hatten die Teilnehmer neben ihrer seelischen Notlage gemeinsam: Sie alle hatten sich ziemlich ungesund ernährt.

Vollkorn, Gemüse, Fisch & Co.

Für die Hälfte von ihnen änderte sich das fortan: Sie erhielten an insgesamt vier Tagen eine Ernährungsberatung und einen Ernährungsplan, der folgende Regeln aufstellte:

Täglich fünf bis acht Portionen Lebensmittel auf Vollkornbasis, dazu sechs Portionen Gemüse, drei Portionen Obst und zwei bis drei Portionen fettarmer ungesüßter Milchprodukte, eine Portion Nüsse und drei Esslöffel Olivenöl.

Außerdem wöchentlich drei bis vier Portionen Hülsenfrüchte, mindestens zwei Mal Fisch, drei bis vier Portionen mageres rotes Fleisch, zwei bis vier Portionen Huhn und bis zu sechs Eier.

Süßigkeiten, Weißmehlprodukte, Frittiertes, Wurstwaren, Fastfood und zuckerhaltige Getränke waren zwar nicht tabu, durften aber maximal dreimal wöchentlich verzehrt werden.

Die andere Hälfte der Teilnehmer wurde nicht motiviert, ihr ungesundes Essverhalten zu verändern. Sie bekam stattdessen ein sozialtherapeutisches Angebot mit Gesprächen über die Themen ihrer Wahl.

Zwölf Wochen später zeigte sich der Effekt der Vollwertkur: Von den Probanden der Ernährungsgruppe war jeder Dritte frei von depressiven Beschwerden, bei den übrigen war es nur einer von acht. „Je strikter sich die Patienten an den Essenplan gehalten hatten, desto größer war der Erfolg“, berichtet Jacka.

Mikronährstoffe fürs Hirn

Erklärungen dafür, wie die Nahrung den Gemütszustand beeinflussen könnte, gibt es mehrere. So ist zum Beispiel für eine gute mentale Gesundheit der reibungslose Ablauf der Hirnfunktionen wichtig. Dafür sind zahlreiche Mikronährstoffe notwendig. Diese werden zum Beispiel von den Mitochondrien benötigt, das sind die winzigen Energiekraftwerken der Zellen. Im energiehungrigen Gehirn müssen sie besonders effektiv funktionieren. Stehen über die Nahrung nicht genügend Mikronährstoffe zur Verfügung, leiden auch die Prozesse im Denkorgan darunter.

Die westliche Ernährungsunkultur fördert aber auch direkt schädliche Abläufe im Körper, die sich ungünstig auf die Hirnfunktionen auswirken. Beispielsweise unbemerkt bleibende Entzündungsprozesse oder auch die vermehrte Bildung freier Radikale. Das sind aggressive Sauerstoff-Moleküle, die überall im Körper die Zellen schädigen können.

Hilfe bei der Umstellung

Fest steht: Auch Menschen, die sich gesund ernähren, können an Depressionen erkranken. Und die Studie zeigt ebenfalls, dass der Ernährungsänderung nicht jedem Patienten zu helfen vermag. Einen Versuch aber ist es auf jeden Fall wert – als ergänzende Maßnahme zu Psychotherapie und Antidepressiva.

Allerdings hat die Sache einen Haken: „Menschen mit Depressionen fehlt der Antrieb. Eine Veränderung wie eine Ernährungsumstellung fällt ihnen besonders schwer“, sagt Jacka. Darum erhielten die Teilnehmer der Studie neben Ernährungstipps und Rezepten auch die vollwertigen Basislebensmittel, die sie benötigten, gestellt. Außerhalb eines solchen Umfelds bräuchten die Patienten hierbei möglicherweise Unterstützung – von Familie und Freunden.

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

ICD-Codes:
F53F39F92F33F34
ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.
Quellen:
  • Dr. Felice Jacka: Can We Prevent Depression By Improving Diet? International Bipolar Foundation
  • Quellen: Felice N. Jacka et al.: A randomised controlled trial of dietary improvement for adults with major depression (the ‘SMILES’ trial), BMC Medicine, 30 January 2017: DOI: 10.1186/s12916-017-0791
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