Sportlicher Senior auf dem Tennisplatz

Sportlich mit Kunstknie

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Sport treiben mit einem künstlichen Gelenk? „Wichtig“, sagen Orthopäden. Oft sei sogar wesentlich mehr möglich, als viele Menschen glauben. Worauf man dabei achten sollte, verrät der Orthopäde und Knieexperte Prof. Oliver Dierk.

50 ist das neue 60 – zumindest was die Einstellung zum künstlichen Gelenkersatz betrifft: „Vor 30 Jahren hat man vor dem 60. Lebensjahr kaum operiert – das verschiebt sich immer weiter nach vorn“, sagt Prof. Oliver Dierk, Chefarzt an der Schön Klinik in Hamburg-Eilbek im Gespräch mit NetDoktor.

Heute käme eben nicht mehr nur die alte Dame am Stock, die kaum noch laufen kann, zu ihm in die Klinik. „Heute sind das Menschen, die mitten im Leben stehen“. Und die andere Ansprüche an die Lebensqualität stellen: „Die fragen mich als erstes ‚Wann kann ich wieder Sport treiben?‘“, berichtet der orthopädische Chirurg.

Zwiespalt zwischen Überlastung und Unterforderung

Beim Thema Sport und Gelenkprothese gilt es einen Zwiespalt zu überbrücken: „Einerseits entsteht bei Überbelastung mehr Abrieb. Das kann eine Lockerung des Gelenks provozieren. Andererseits sind nur aktive Knochen gesund und fest und können der Prothese sicheren Halt geben.“ Zu viel Schonung sei also auch nicht gut für Kunstknie und -hüften.

Joggen nein, Walken ja

Früher habe man den Patienten gesagt: „Spazierengehen ist der einzige Sport, den Sie noch treiben können“. Da habe sich die Einstellung aber grundlegend verändert. Ungefähr drei Monate nach der Operation seien viele Sportarten wieder drin. „Joggen allerdings würde ich persönlich weniger empfehlen“, sagt der Kniespezialist. Das Problem dabei sei die Landung. „In der Dynamik des Landevorgangs wird das Gelenk durch ein Vielfaches des Körpergewichts belastet.“ Nordic Walking hingegen sei unproblematisch.

Belastende Ballsportarten

Ebenfalls kritisch seien Ballsportarten wie Handball und Fußball: Das hohe Tempo und die vielen Richtungswechsel sind ungünstig – nicht nur für künstliche Gelenke. Der Chirurg weiß, von was er spricht, von 2000 bis 2010 war er Mannschaftsarzt der HSV-Fußballer.Auch von Kampfsportarten, bei denen es darum geht, den Gegner zu Fall zu bringen, rät er ab: „Bei einem Hüftwurf im Judo entstehen erhebliche Zugkräfte, das ist nichts für eine Kunsthüfte.“

Tennis besser im Doppel – hinten an der Grundlinie

Bedenkenlos empfehlen könne er Fahrradfahrern, Golf, Wandern, Walken und Schwimmen. Sogar Tennis sei drin: „Das sollte man allerdings besser im Doppel spielen, und zwar an der Grundlinie.“ Dort sind die Bewegungen eher gleitend, am Netz hingegn muss der Spieler öfter abstoppen. Von Tennis im Einzel rät Dierk hingegen grundsätzlich ab. Zudem sei Aschenboden gelenkfreundlicher als der Hartplatz.

Skifahren mit Endoprothese hingegen sei heute Standard. „Gerade geübte Skifahrer sind sehr sicher. Ich erlaube aber keinen Skiunfall!“, sagt Dierk und lacht. Der Hinweis gelte aber genauso fürs Fahrradfahren.

Fitnesstraining ist ideal

Der ideale Sportplatz mit Endoprothese sei allerdings das Fitnessstudio: „Ob Krafttraining oder Kardio auf dem Ellipsentrainer – die Bewegungen werden hier sehr kontrolliert ausgeführt, das Verletzungsrisiko ist minimal.“

Ideal sei, wenn dann noch Geschicklichkeitsübungen hinzukämen. Denn sie trainieren die Feinmotorik: „Kniebeugen auf einer Wackelplatte beispielsweise.“ Eine intakte Muskulatur sei nicht nur stark, sondern auch intelligent. „Die Muskeln müssen wissen, was zu tun ist, um das Gelenk ideal zu unterstützen. Das lernen sie aber nur, wenn sie entsprechende Herausforderungen meistern müssen.“

Yoga mit kleinen Einschränkungen

Grundsätzlich sehr sinnvoll sei auch Yoga. „Allerdings hätten auch moderne Endoprothesen Einschränkungen in der Beweglichkeit. Bestimmte Bewegungen und Positionen seien damit nicht möglich. Da muss man mit dem Operateur absprechen, welche Übungen realistisch sind.“

Grundsätzlich gehe es heute darum, den Menschen schnellstmöglich wieder mehr Lebensfreude zurückzugeben – „und da gehört Sport für Viele dazu.“ Dank der rasanten Fortschritte in der Gelenktechnik könne man solche Eingriffe jetzt auch schon vergleichbar jungen Patienten guten Gewissens empfehlen.

„Die Natur imitieren“

„Wir versuchen mit den künstlichen Gelenken die Natur möglichst genau zu imitieren – und dabei werden wir immer besser“, sagt Dierk. Doch stellten die natürlichen biologischen Veränderungen des Knochens noch immer ein grundsätzliches Problem dar. Das führe irgendwann zur Lockerung.

Dennoch könnten die enorm verbesserten Materialien die Zeit bis zum Gelenkaustausch möglicherweise verlängern. „Wir verwenden heute Keramik, die ist unglaublich hart und verschleißresistent.“

Bessere Materialien, längere Lebensdauer

Damit würden die Gelenke hoffentlich langlebiger: „Ein Grund dafür, dass Kunstgelenke sich lockern, kann sein, dass sich mikroskopisch kleine Abriebpartikel zwischen Gelenk und Knochen setzen. Modernen Endoprothesen reduzieren dieses Risiko deutlich“.

Auch beim Einsetzen der Prothesen sei man viel weiter als vor 30 Jahren. Da war eine Gelenk-OP noch eine große Sache. Inzwischen ist sie Routine. „Die Operationen haben ihren Schrecken verloren, sagt Dierk.“

Nutzen/Risiken

Worauf ist zu achten?

Schwimmen

besonders empfohlen

schonend und kräftigend ohne Belastung durch Körpergewicht

nur Kraul- oder Rückenschwimmen, Beinschlag beim Brustschwimmen für Knie- und Hüftgelenk ungünstig.

Fahrradfahren

besonders empfohlen

zyklische Bewegungsabläufe, wirkungsvoller Kraftaufbau, Körpergewicht ruht weitgehend auf dem Sattel

Sattel richtig einstellen: Kniegelenke sollten bei untenstehendem Pedal fast gestreckt sein.

Joggen

nicht empfohlen

hohe Stoßbelastung beim Landevorgang

Fitness

besonders empfohlen

sehr kontrolliert durchführbar, daher besonders risikoarm

Einweisung durch einen kompetenten Trainer, um falsche Bewegungsabläufe zu vermeiden; besser an geführten Geräten als mit freien Gewichten trainieren

Ski Alpin

möglich

dank günstigeren Dreh- verhaltens moderner Skier wenig belastend

für geübte Skifahrer bei risikoarmem, weichem Fahrverhalten

Ski Langlauf

empfohlen

gleichmäßige, geleitende Bewegungen belasten wenig, wirksamer Aufbau der Kraftausdauer

vor allem Einsteiger sollten die klassische Technik bevorzugen, seitliche Krafteinwirkung auf Knie und Hüften werden reduziert

Yoga

empfohlen

gelenkschonend durch gleichmäßige, fließende, kontrollierte Bewegungen

manche Übungen sind mit Kunstgelenken nicht möglich, vorheriges Abklären mit dem Arzt oder Therapeuten

Fußball

nicht empfohlen

belastend durch harte Stoßbelastungen und viele Richtungswechsel, zudem hohe Verletzungsgefahr!

Handball

nicht empfohlen

harte Stoßbelastungen und viele Richtungswechsel, zudem hohe Verletzungs- gefahr!

Kampfsport

nicht empfohlen

Risiko bei Würfen und durch Stürze

Basketball

eingeschränkt möglich

harte Stoßbelastungen, Sprünge und schnelle Richtungswechsel meiden

nur locker und spielerisch ausüben

Nordic Walking

empfohlen

entlastend durch Stockeinsatz, wenig belastend bei korrekter Abrolltechnik

Einweisung durch einen professionellen Trainer für korrekte Ausführung

Wandern

möglich

moderate Belastung, vorzugsweise in maximal hügeligem Gelände

Stockeinsatz empfohlen (bergab nur mit Stöcken!), steile An- und Abstiege vermeiden

Segeln

möglich

keine größere Belastung aber hohe Beweglichkeit, Wendigkeit erforderlich

vor allem in der ersten Zeit nach einer Hüftgelenks-OP Überkreuzbewegungen der Beine vermeiden!

Surfen

nicht empfohlen

bei hoher Geschwindigkeit starke Brettschläge, schnelle Manöver erforderlich, riskante Überkreuzbewegungen der Beine (Achtung bei Hüftpatienten!)

Tennis (Doppel)

empfohlen mit Einschränkung

weniger laufintensiv als im Einzel, Spielposition an der Grundlinie, da dort eher gleitende Bewegungen

Sand-, Ascheplatz oder Kunststoffboden empfohlen

Tennis (Einzel)

nicht empfohlen

zu hohe Belastung durch schnelle Sprints und abruptes Abbremsen

Golf

empfohlen

sehr kontrolliert durchführbar, daher besonders risikoarm

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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