Asthmamedikamente

Asthma: Schluss mit Kortison-Tabletten?

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Ein Mittel gegen Hautekzeme, das auch bei schwerem Asthma hilft? So überraschend ist das nicht – denn Neurodermitis und die Lungenkrankheit sind nahe Verwandte. Doch welche Patienten profitieren davon, und wie kann man das Mittel schon jetzt bekommen?

Auch schwereres Asthma ist meist gut zu behandeln – mit einer kombinierten Inhalationstherapie von bronchienerweiternden Mitteln und Kortison. Doch es gibt Ausnahmen: Bei einem Teil der Patienten halten nur zusätzlich eingenommene, hoch dosierte Kortison-Tabletten die Luftnotattacken halbwegs unter Kontrolle. Immer wieder bekommen die Betroffenen schwere Anfälle, müssen ins Krankenhaus, sind wenig leistungsfähig, können an vielen Dingen des Lebens nicht teilnehmen.

Kortison-Tabletten: große Wirkung, starke Nebenwirkungen

Anders als inhaliertes Kortison hat die hoch dosierte, orale Kortison-Therapie auf Dauer schwere Nebenwirkungen: „Wenn Sie solche Patienten sehen, aufgedunsen, mit Bluthochdruck, Wassereinlagerungen und hohen Blutzuckerwerten, dann wünsche Sie sich dringend eine Alternative“, sagt Prof. Klaus Rabe, Direktor der LungenClinic Großhansdorf und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) im Gespräch mit NetDoktor.

Hilfe in Reichweite

Tatsächlich ist eine solche Alternative für manche schwer leidenden Patienten bereits in Reichweite. Dupilumab ist ein Wirkstoff, der seit letztem Jahr bereits zur Behandlung von ausgeprägter Neurodermitis zugelassen ist. Dass er offenbar auch Asthmatikern helfen kann, ist nicht wirklich überraschend: Denn die Haut- und die Atemwegskrankheit sind nah miteinander verwandt.

Gemeinsam mit Heuschnupfen oder auch der Hausstaubmilbenallergie gehören sie zu den Erkrankungen des sogenannten atopischen Formenkreises. Ihnen liegen Autoimmunreaktionen zugrunde, die ständige Entzündungsprozesse provozieren. Oft erkranken Kinder, die unter Neurodermitis leiden, später an Asthma. Und auch ein Heuschnupfen kann von der Nase eine Etage tiefer in die Bronchien wechseln.

Nur halb so viele schwere Asthmaattacken

Zwei Studien belegen nun, wie gut Dupilumab auch bei schwerem Asthma wirkt. An der ersten Untersuchung nahmen 1.902 Patienten teil, die trotz einer Kombination aus Kortison und bronchienerweiterndem Mittel noch immer täglich an plötzlichen Atemnotattacken litten. Unter der Behandlung mit Dupilumab halbierte sich die Zahl ihrer Anfälle. Und auch ins Krankenhaus mussten sie nur noch halb so oft. Die Hälfte der Patienten kann auf Kortison-Tabletten verzichten

In der zweiten Studie mit 210 Patienten nahmen Rabe und Kollegen den biologischen Effekt der Therapie genauer unter die Lupe. Auch hier reduzierte sich die Zahl der schweren Attacken deutlich. Mehr noch: Bereits innerhalb der ersten zwei Wochen verbesserte sich die Lungenfunktion der Patienten entscheidend. Vor allem aber konnten viele Teilnehmer ihre orale Kortison-Dosis drastisch reduzieren. Die Hälfte von ihnen konnten sogar ganz darauf verzichten.

Monoklonale Antikörper wirken passgenau

Was genau macht das Medikament im Körper? Dupilumab ist ein sogenannter monoklonaler Antikörper. Solche Medikamente werden zunehmend für die Krebstherapie entwickelt – aber auch für andere Krankheiten. Sie werden mithilfe geklonter Zellen hergestellt, die ursprünglich alle von einem einzigen weißen Blutkörperchen abstammen. Die Klonzellen produzieren einen Antikörper, der passgenau nur an ganz bestimmten Eiweißstrukturen andockt. Darum könnten sie hervorragend wirken, bei geringen Nebenwirkungen, erklärt Rabe. „Im Falle von Dupilumab sind es die Zytokine Interleukin 4 und 13.“

Schlüsselrolle im Entzündungsprozess

Die beiden Zytokine sind Botenstoffe, die eine Schlüsselrolle in den Entzündungsprozessen bei Neurodermitis ebenso wie bei Asthma spielen. Sie aktivieren die sogenannten eosinophilen Granulozyten. Diese spezielle Form weißer Blutkörperchen wandert bei Asthmatikern oft in großer Zahl ins Lungengewebe und schädigt es.

Regelmäßig als Spritze verabreicht, bremst Dupilumab diesen krankhaften Prozess aus, und die Lunge kann sich erholen. Tatsächlich wirkt das Medikament besonders gut bei Patienten mit einer hohen Konzentration von Eosinophilen im Blut. Anders als andere monoklonale Antikörper, die bereits zugelassen sind, hilft es aber auch Patienten mit weniger hohen Eosinophil-Werten, wenn auch nicht mehr ganz so gut. „Das Behandlungsfenster ist bei Dupilumab größer“, sagt Rabe.

Außerdem wirkt die Substanz besonders gut bei Patienten mit hohem Stickoxid (NO). Es wird bei Entzündungsprozessen in den tiefen Atemwegen freigesetzt. Je mehr NO man in der ausgeatmeten Luft misst, desto stärker die Entzündung.

Vor allem für schwerkranke Kinder eine Chance

Der spannendste Effekt, den die Therapie haben könnte, wird sich möglicherweise erst in einigen Jahren zeigen: „Mit solchen Biologika kann man fundamental in die Entzündungskaskade eingreifen“, erklärt Rabe. Beeinflusse man das Zytokin-Netzwerk rechtzeitig, könne man womöglich den gesamten Krankheitsverlauf verändern.

„Es spricht viel dafür, dass wir dazu gleich mehrere Schlüsselstellen in der Entzündungskaskade ausschalten müssen.“ So wirke Dupilumab nur, weil es gleich zwei Zytokine ausschaltet. „Erst dann beobachtet man eine Wirkung“, sagt Rabe.

Der Wissenschaftler plädiert dafür, das Medikament früh und eventuell auch bei Kindern einzusetzen. Bei jüngeren Patienten, insbesondere bei Kindern, könne der Wirkstoff vielleicht einen entscheidenden Langzeiteffekt entfalten. Denkbar sei beispielsweise, dass Kinder mit Neurodermitis, die Dupilumab erhalten, deshalb erst gar kein Asthma entwickeln.

„Wenn ein Patient aber schon seit 20 Jahren schweres Asthma hat, dann ist das Lungengewebe irreversibel geschädigt“, sagt Rabe. „Daran können auch moderne Medikamente nichts mehr ändern.“

Zulassung schon 2019?

Angesichts der überzeugenden Wirkung rechnet der Forscher damit, dass Dupilumab bereits Anfang 2019 seine Zulassung zur Asthmatherapie erhält. Patienten, die neben Asthma auch an schwerer Neurodermitis leiden, könnten aber auch jetzt schon mit ihrem Hautarzt besprechen, ob das Medikament für sie ein geeigneter Therapieansatz sein könnte. Sie könnten dann von der Doppelwirkung auf Haut und Lunge profitieren.

„Off-Label“-Verordnung bereits möglich

Für schwere Asthmatiker ohne Ekzeme ist eine sogenannte Off-Label-Verordnung möglich. Dabei verschreibt der Arzt ein Medikament, das für die Krankheit oder den Patienten offiziell nicht zugelassen ist. Voraussetzungen dafür, dass die Kassen die Kosten dennoch übernehmen, ist, dass die Erkrankung dauerhaft und schwer oder lebensbedrohlich ist, keine andere Therapie das Potenzial hat, dem Patienten wirksam zu helfen und dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass der Wirkstoff tatsächlich hilft.

Bei dem sehr kostspieligen Dupilumab stehen die Chancen dafür in vielen Fällen gut. Denn bei 20 Prozent der Asthmapatienten versagt die konventionelle inhalative Therapie. Raabe schätzt, einem Viertel bis der Hälfte von ihnen könnte die neue Antikörpertherapie helfen.

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • Klaus F. Rabe et a.: Efficacy and Safety of Dupilumab in Glucocorticoid-Dependent Severe Asthma NEJM , May 21, 2018, DOI: 10.1056/NEJMoa1804093
  • Mario Castro, M.D. et al.: Dupilumab Efficacy and Safety in Moderate-to-Severe Uncontrolled Asthma, NEJM, May 21, 2018, DOI: 10.1056/NEJMoa180409
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