Zusammenhang von Östrogenen und Allergien

„Bei Asthma gibt es keine Chancengleichheit“

Von , Medizinredakteurin und Biologin
Larissa Melville

Larissa Melville absolvierte ihr Volontariat in der Redaktion von NetDoktor.de. Nach ihrem Biologiestudium an der Ludwig-Maximilians-Universität und der Technischen Universität München lernte sie die digitalen Medien zunächst bei Focus online kennen und entschied sich dann, den Medizinjournalismus von Grund auf zu erlernen.

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Frauen erkranken öfter an Asthma und Allergien als Männer – und entwickeln dann oft heftigere Symptome. Warum das so ist, erklärt die Allergologin Prof. Erika Jensen-Jarolim im NetDoktor-Interview.

Frau Prof. Jensen-Jarolim, Allergien und Asthma hängen zusammen – können Sie kurz erklären wie?

Asthma kann verschiedene Auslöser haben. Einer davon sind Allergene. Sie verursachen bei allergischen Patienten tränende Augen und eine laufende Nase. Später können diese Allergene auch die Bronchialmuskulatur verengen. Sie zieht sich öfter zusammen und lässt weniger Luft in die Lunge. Es kommt zur Luftnot und Hustenanfällen. Man spricht dann vom allergischen Asthma.

Bis etwa zum zehnten Lebensjahr leiden Jungen häufiger und stärker unter Allergien und Asthma. Aber dann kehrt sich das Geschlechterverhältnis um. Können Sie das erklären?

Wieso Jungen vermehrt unter Asthma und Allergien leiden, weiß man bisher nicht. Was man aber weiß ist, dass mit dem Beginn der Geschlechtsreife die vermehrte Ausschüttung des Sexualhormons Östrogen dafür sorgt, dass die Mädchen viel anfälliger werden. Sie bekommen häufiger Allergien, Asthma aber auch Neurodermitis und Ekzeme. Daher entwickeln 36 Prozent der Frauen im Leben eine Allergie, bei den Männern sind es dagegen nur 24 Prozent – also ein Drittel weniger!

Körpereigenes aber auch zugeführtes Östrogen wie die Antibabypille verstärken das Risiko und die Symptome für Allergien und Asthma. Welcher Mechanismus steckt dahinter?

Bei Allergien reagiert das Immunsystem verrückt auf eigentlich harmlose Dinge. Und das Östrogen verstärkt diese Reaktion, indem es an kleine Antennen der Immunzellen bindet und diese so noch empfindlicher gegenüber Allergenen macht.

Und was ist mit dem männlichen Geschlechtshormon Testosteron, spielt es auch eine Rolle bei allergischen Erkrankungen?

Testosteron scheint eine Art Schutzfunktion auszuüben. Es bewirkt beispielsweise, dass die Haut dicker wird und so weniger Allergene durchlässt. Östrogene dagegen machen die Haut weicher und durchlässiger. Da sind wir Frauen im Nachteil. Bei Asthma und Allergien gibt es keine Chancengleichheit.

Frauen unterliegen ja im Laufe ihres Lebens hormonellen Schwankungen. Wie wirkt sich das auf die Allergien und das Asthma aus? Sind sie mal stärker und mal schwächer?

Ja. Ein gutes Beispiel sind verstärke Asthmasymptome in jenen Phasen des Zyklus, in denen der Östrogenspiegel am höchsten ist. „Perimenstruelles Asthma“ nennen Mediziner das. Ein weiteres Beispiel ist die Schwangerschaft – auch da tut sich einiges im Hormonhaushalt. Bei einem Drittel der schwangeren Patientinnen verschlechtern sich die Asthmasymptome.

Frauen nehmen oft jahrelang die Pille. Und viele greifen in den Wechseljahren auf Östrogene zurück. Mildern sich Allergie- und Asthmasymptome, wenn sie die Hormonpräparate absetzen?

Man kann nicht vorhersagen, welche Patientin mit einer Allergie oder Asthma vom Absetzen der Medikamente profitieren würde. Aber es gibt zahlreiche Studien, die zeigen, dass die Pille oder eine Hormonersatztherapie die Allergie- und Asthmasymptomatik verstärken. Für manche Allergikerin oder Asthmatikerin kann daher der Verzicht auf Pille und Co. eine Verbesserung bringen.

Dann sollten Ärzte und Patientinnen die hormonellen Einflüsse mehr beachten.

Ja, hier muss unbedingt ein neues Bewusstsein geschafft werden. Allergologen beispielsweise, fragen nur selten danach, ob eine asthmakranke Frau die Pille nimmt. Es gilt auch, zu beobachten, ob die Symptome in bestimmten Zyklusphasen schwerer werden. Solche Fragen sollten von Patientin und Arzt besprochen werden. Unter Umständen kann der Arzt dann die Allergie- und Asthmamedikation oder aber die Hormontherapie anpassen.

Erika Jensen-Jarolim ist Professorin am Institut für Pathophysiologie und Allergieforschung der Medizinischen Universität Wien.

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Larissa Melville absolvierte ihr Volontariat in der Redaktion von NetDoktor.de. Nach ihrem Biologiestudium an der Ludwig-Maximilians-Universität und der Technischen Universität München lernte sie die digitalen Medien zunächst bei Focus online kennen und entschied sich dann, den Medizinjournalismus von Grund auf zu erlernen.

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