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"Reizdarm" könnte Mikroskopische Kolitis sein

Von , Medizinredakteurin und Biologin
Luise Heine

Luise Heine ist seit 2012 Redakteurin bei Netdoktor.de. Studiert hat die Diplombiologin in Regensburg und Brisbane (Australien) und sammelte als Journalistin Erfahrung beim Fernsehen, im Ratgeber-Verlag und bei einem Print-Magazin. Neben ihrer Arbeit bei NetDoktor.de schreibt sie auch für Kinder, etwa bei der Stuttgarter Kinderzeitung, und hat ihren eigenen Frühstücksblog „Kuchen zum Frühstück“.

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Immer wieder scheinbar grundlos Bauchschmerzen und wässriger Durchfall - da denken viele an den sogenannten Reizdarm. Doch eine wenig bekannte Darmentzündung hat ganz ähnliche Symptome.

Unter einem Reizdarm leiden hierzulande viele Menschen. Doch oft ist er eine Verlegenheitsdiagnose: Man findet einfach keine andere Erklärung für die immer wieder auftretenden Bauchbeschwerden. Dabei könnte es sich auch um eine weitgehend unbekannte Darmentzündung handeln - die Mikroskopische Kolitis. „Wir gehen davon aus, dass diese Darmerkrankung unter Frauen über 50 in zehn Prozent der Fälle die Ursache für chronischen Durchfall ist“, sagt Prof. Ahmed Madisch aus Hannover.

Damit ist die Mikroskopische Kolitis genauso häufig wie die chronischen Darmentzündungen (CED) Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa. Warum wird sie so selten diagnostiziert? Wahrscheinlich liegt es an ihren unspezifischen Symptomen: Bauschmerzen, Übelkeit und eben wässriger Durchfall.

Nur unter dem Mikroskop sichtbar

Erschwerend kommt hinzu, dass die Mikroskopische Kolitis, der Name lässt es erahnen, nur unter dem Mikroskop eindeutig festgestellt werden kann. Sicherlich auch ein Grund, warum die Erkrankung erst 1976 erstmals beschrieben wurde. Das bedeutet aber auch: „Bei Verdacht auf diese Krankheit müssen unbedingt Gewebeproben aus der Darmschleimhaut entnommen werden“, so Gastroenterologe Madisch. Üblicherweise geschieht das im Rahmen einer Darmspiegelung.

Unter starker Vergrößerung halten die Pathologen dabei Ausschau nach einer auffälligen Ansammlung von Lymphozyten – einer bestimmten Unterart der weißen Blutkörperchen. Sie sind für die Immunabwehr im Darm zuständig. Findet man überall verteilt kleine Anhäufungen dieser Zellen, ist die Diagnose ziemlich eindeutig: lymphozytäre Kolitis. Mit bloßem Auge sind die Veränderungen der Darmschleimhaut dagegen nicht sichtbar.

Die zweite Unterform der Mikroskopische Kolitis ist die kollagene Form, dem geschulten Auge offenbart sie sich unter dem Mikroskop durch eine verdickte Schicht von bindegewebeähnlichem Material (Kollagen) unter den Schleimhautzellen im Darm.

Ursache: unbekannt

Der genaue Entstehungsmechanismus der Erkrankung ist noch unbekannt. Forscher haben allerdings verschiedene Risikofaktoren im Visier. So sind offenbar Raucher deutlich häufiger betroffen als Nichtraucher – sie erkranken im Schnitt auch 14 Jahre eher. Außerdem geht man davon aus, dass Medikamente, Gallensäure, aber auch die Darmflora die Kolitis beeinflussen. Das Lebensalter spielt ebenfalls eine Rolle: Während bei CED-Patienten die Diagnosen meist zwischen 15 und 35 Jahren gestellt werden, liegt das mittlere Erkrankungsalter bei der Mikroskopischen Kolitis zwischen 50 bis 60 Jahren. Frauen sind wesentlich häufiger betroffen als Männer, von fünf Patienten sind vier weiblich. Menschen mit Mikroskopischer Kolitis leiden beträchtlich. „Die Lebensqualität ist enorm eingeschränkt“, weiß auch Darmexperte Madisch.

Kolitis: Budesonid als Therapieoption

Manche haben Glück und die Erkrankung verschwindet genauso plötzlich, wie sie gekommen ist. Die meisten Patienten haben allerdings mit immer wiederkehrenden Episoden zu kämpfen. Dann können nur Medikamente helfen.

Zur Behandlung ist ein Deutschland im Moment nur eine Substanz zugelassen: Budesonid, ein Kortisonpräparat. Es wird auch bei zahlreichen anderen entzündlichen Erkrankungen wie Asthma, Heuschnupfen oder Rheuma angewendet. Mit dem Kortikoid lassen sich bei vier von fünf Patienten die Beschwerden eindämmen. Leider meist nicht dauerhaft, darum fahnden Wissenschaftler weiter nach einem Behandlungskonzept, um die Mikroskopische Kolitis langfristig in Schach zu halten. Solche Konzepte gibt es auch bei Morbus Crohn und der Colitis ulcerosa.

Im Vergleich zu diesen CEDs hat die Mikroskopische Kolitis wenigstens einen Vorteil: Das Risiko für Darmkrebs ist bei Betroffenen nicht erhöht.

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Luise Heine ist seit 2012 Redakteurin bei Netdoktor.de. Studiert hat die Diplombiologin in Regensburg und Brisbane (Australien) und sammelte als Journalistin Erfahrung beim Fernsehen, im Ratgeber-Verlag und bei einem Print-Magazin. Neben ihrer Arbeit bei NetDoktor.de schreibt sie auch für Kinder, etwa bei der Stuttgarter Kinderzeitung, und hat ihren eigenen Frühstücksblog „Kuchen zum Frühstück“.

ICD-Codes:
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ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.
Quellen:
  • Deutsche Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV) e.V.: Die mikroskopische Kolitis; Bauchredner 3/2012
  • Kompetenznetz Darmerkrankungen; http://www.kompetenznetz-ced.de (Abruf: 20.05.2015)
  • Pressemitteilung der Deutschen Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV) e. V.: Mikroskopische Kolitis: die unentdeckte Darmkrankheit (Abruf: 20.05.2015)
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