Fäkaltherapie gegen Darmkeime

Fremdfäkalien gegen Durchfall

Von , Medizinredakteurin
Christiane Fux

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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Es klingt ziemlich unappetitlich: Fäkalien eines gesunden Spenders sollen schwer an Durchfall erkrankten Menschen helfen. Doch die Ekeltherapie zeigt verblüffende Wirkung

Beim Thema Bakterien denken die meisten erst einmal an fiese Krankheitserreger. Dabei lebt der Mensch mit vielen Mikrobenspezies in fruchtbarer Symbiose. Sie leben auf Haut und Schleimhäuten und vor allem auch im Darm. Die Winzlinge helfen bei der Verdauung und spielen eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Krankheitserregern.

"Wie wichtig sie für unser Wohlbefinden sind, merken die meisten erst, wenn die körpereigene Bakterienflora aus der Balance gerät", erklärt die Gastroenterologin Els van Nood im Gespräch mit NetDoktor. Vermehren sich die falschen Keime, kann es im Extremfall zu lebensbedrohlichen Darminfektionen kommen.

Sterbenskranke Patienten

Mit einem solchen schweren Fall hat der Spezialist für Magen-Darm-Erkrankungen Alexander Khortus vom Department of Medicine in Minnesota zu kämpfen. Eine seiner Patientinnen litt nach einer Antibiotikatherapie unter schwersten Durchfällen. Verursacher war der Darmkeim Clostridium dificile. Dieser hatte die durch die Medikamente angeschlagene Darmflora ganz einfach überrollt. Keine herkömmliche Therapie schien der Frau zu helfen, innerhalb von acht Monaten verlor sie rund 30 Kilo.

Khoruts entschied sich zu einer verzweifelten Maßnahme: Er verabreichte der Frau Fäkalien ihres Mannes. Bereits am nächsten Tag war der Durchfall verschwunden. Und er kehrte nicht mehr zurück.

Fäkalien über die Nase

Fäkale Transplantation nennt sich das Verfahren, bei dem eine gefilterte Lösung aus Kot über eine Sonde direkt in den Dünndarm geleitet wird. Bislang kannte die Literatur lediglich eindrucksvolle Beschreibungen von Einzelfällen der Therapie.

Nun haben Forscher der Universität Amsterdam die Wirkung der Behandlung anhand einer Studie mit insgesamt 42  Patienten untersucht. Alle litten unter einer wiederkehrenden Infektion mit Clostridium dificile.

13 von ihnen erhielt die Standardtherapie, bei der ein Antibiotikum verabreicht wurde. Weitere 13 bekamen ebenfalls das Antibiotikum sowie nach Abschluss der viertägigen Kur eine Darmspülung. Die übrigen wurden wie die zweite Gruppe behandelt, bekamen aber zusätzlich per Naseninfusion die Stuhlspende eines gesunden Freiwilligen verabreicht.

"Die Fäkaltherapie war der herkömmlichen derart überlegen, dass wir die Studie abbrechen mussten", berichtet Studienleiterin von Nood. "Wir konnten den übrigen Patienten diese wirksame Behandlungsmethode nicht vorenthalten."

In der Tat war die Behandlung mit der Stuhllösung extrem erfolgreich: 13 der 16 Patienten waren bereits nach einer Infusionsrunde geheilt, bei den übrigen Dreien herrschte nach der zweiten Runde Ruhe im Gedärm. Nachdem auch die Teilnehmer der Kontrollgruppen behandelt worden waren, blieben die Durchfallattacken auch bei ihnen aus. "Es war verblüffend", sagt Nood.

Ausgetauschte Darmflora

Wie die Bakterientransplantation den Darm verändert, hat zuvor die amerikanische Fallstudie enthüllt: Alexander Khortus hatte vor dem Eingriff die Darmflora der schwerkranken Patientin analysiert. "Normale Bakterien existierten ganz einfach nicht in ihr", beschrieb er den Zustand der schwer kranken Frau in einem Gespräch mit der New York Times. "Sie war von allen möglichen Außenseitern befallen."

Die Idee, einen antibiotikageschädigten Darm mit freundlichen Bakterien zu besiedeln, ist nicht neu. Pillen mit entsprechenden Mikroben gibt es in jeder Apotheke. "Die Infusion mit Stuhl wirkt aber weit besser", sagt von Nood. Die Forscher vermuten, dass auch andere Bestandteile des Kots dazu beitragen, den Mikroben die Ansiedlung zu erleichtern.

Von Diabetes bis Depressionen

Nicht nur Opfer von hartnäckigen Clostridium dificile-Bakterien könnten von einer Darmfloraspende profitieren: Die Amsterdamer Forscher beobachteten auch, dass die Insulinresistenz der Diabetespatienten unter ihren Probanden sich verbesserte. "Offenbar hat die Darmflora auch hier einen entscheidenden Einfluss", glaubt von Nood.

Andere Untersuchungen haben bereits gezeigt, dass die Therapie auch bei chronischen Darmentzündungen wie Colitis ulcerosa wirken kann, oder bei Reizdarm. Außerdem könnte das Bakterienzoo im Darm einen erheblichen Einfluss auf das Gewicht eines Menschen haben. "Man vermutet sogar einen Zusammenhang zwischen der Darmflora und Depressionen", berichtet Nood.

Terra incognita

Längst weiß man, dass der menschliche Körper zehnmal mehr Bakterien beherbergt als er Zellen besitzt. Sogar im Lungengewebe, das lange als steril galt, hat man verschiedene Arten gefunden. Welche das sind, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Was sie alles in unserem Körper bewirken, ist noch weitgehend unbekannt. Die Körperflora: eine Terra incognita - eine unbekannte Welt.

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Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Quellen:
  • Khoruts, Alexander : Changes in the Composition of the Human Fecal Microbiome After Bacteriotherapy for Recurrent Clostridium difficile-associated Diarrhea : Journal of Clinical Gastroenterology: May/June 2010 - Volume 44 - Issue 5 - pp 354-360, doi: 10.1
  • Quellen: Els van Nood: Duodenal Infusion of Donor Feces for Recurrent Clostridium difficile, N Engl J Med 2013; 368:407-415January 31, 2013DOI: 10.1056/NEJMoa1205037
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