Designer-Zellen gegen Schuppenflechte

Designer-Zellen blockieren Schuppenflechte

Von , Medizinredakteurin und Biologin
Dr. Andrea Bannert

Dr. Andrea Bannert ist seit 2013 bei NetDoktor. Die promovierte Biologin und Medizinredakteurin forschte zunächst in der Mikrobiologie und ist im Team die Expertin für das Klitzekleine: Bakterien, Viren, Moleküle und Gene. Sie arbeitet freiberuflich zudem für den Bayerischen Rundfunk und verschiedene Wissenschaftsmagazine und schreibt Fantasy-Romane und Kindergeschichten.

Alle NetDoktor.de-Inhalte werden von medizinischen Fachjournalisten überprüft.

Schuppenflechte ist sehr unangenehm. Gegen die geröteten und stark juckenden Hautstellen könnten in Zukunft aber genetisch veränderte Zellen helfen.

Marion B. bekommt von ihrem Hausarzt künstlich veränderte Zellen unter die Haut gespritzt. Jeweils 200 Stück davon sind in kleinen Kapseln aus Algengelatine verpackt. Sie unterdrücken einen erneuten Psoriasis-Schub bei Marion. Die 35-Jährige schlägt sich schon seit Jahren mit der auch als Schuppenflechte bezeichneten Hautkrankheit herum, die sich durch gerötete und stark schuppende Entzündungsherde bemerkbar macht.

Noch ist diese Behandlung allerdings Zukunftsmusik und Marion B. frei erfunden. Psoriasis-Patienten müssen sich nach wie vor mit Cremes oder Medikamenten begnügen, die lediglich das Immunsystem hemmen, aber keine ursächliche Therapie bieten. Aber: „In zehn Jahren könnte es soweit sein“, sagt Prof. Martin Fussenegger gegenüber NetDoktor. Zusammen mit seinem Team entwickelt der Biotechnologe die Designer-Zellen gegen Schuppenflechte am Department of Biosystem Science and Engineering an der ETH Zürich.

Genetisch getunte Zellen

Bei den Anti-Psoriasis-Zellen handelt es sich um normale menschliche Zellen, die aber genetisch getunt sind. „Dadurch erkennen sie sehr präzise die Botenstoffe, die Schuppenflechte auslösen, und liefern dann auch gleich die Therapie dagegen“, erklärt Fussenegger.

Genauer funktioniert das so: Bevor der Hautausschlag ausbricht, steigt die Konzentration von zwei bestimmten Botenstoffen im Blut an. Sie heißen TNF und IL-22. Nur wenn beide zusammen in größeren Mengen auftreten, ist das ein spezifisches Anzeichen für die Schuppenflechte. TNF alleine dagegen erhöht sich zum Beispiel auch, wenn man eine Schnupfennase hat.

Die Designer-Zelle besitzt sogenannte Rezeptoren, die TNF und IL-22 messen können. Spürt sie die Botenstoffe auf, produziert sie zwei Entzündungshemmer: Interleukin-4 und Interleukin-10. „Damit wird die Entzündung reduziert und so die Entstehung der Schuppenflechte unterdrückt“, so Fussenegger.

Versteck in der Algenkapsel

Im Mausmodell hat das schon sehr gut geklappt. Die Wissenschaftler rasierten den Nagern den Rücken und schmierten eine reizende Creme darauf. Die dadurch verursachte lokale Entzündung ist mit einer Schuppenflechte vergleichbar. Dann implantierten sie den Tieren die in Algengelatine verkapselten Designer-Zellen in den Bauchraum. Die Verpackung ist wichtig, damit das Immunsystem der Maus die Designer-Zellen nicht als Eindringlinge identifiziert und bekämpft. In einem zweiten Versuch spritzen sie den Nagern zuerst die Designer-Zellen und trugen dann die entzündungsfördernde Creme auf.

Über einen Zeitraum von sieben Tagen begutachteten die Forscher die Haut der Mäuse mit bloßen Augen und untersuchten zusätzlich dünne Hautschnitte unter dem Mikroskop. Dabei ist die Dicke der Epidermis - also der äußeren Hautschicht - ein Maß, wie stark die Schuppenflechte ausgeprägt ist. Zusätzlich bestimmten Fussenegger und seine Kollegen im Blut die entsprechenden Botenstoffe für die Schuppenflechte.

Prävention und Therapie

Das Ergebnis: Mit den Designer-Zellen heilte die Schuppenflechte bei den Tieren sehr viel schneller ab als ohne. Darüber hinaus wirkte die Therapie auch vorbeugend. „Die Mäuse, die wir vor dem Auftragen der Creme mit den Implantaten ausgestattet hatten, entwickelten erst gar keine Entzündungen“, erklärt Fussenegger.

„Die Vision wäre, dass man sich die Zellen einmal unter die Haut implantieren lässt und die Schuppenflechte dann ein Leben lang los ist – wie bei einer Impfung.“ Bisher müsse man die Zellen noch alle drei bis vier Monate austauschen. Ein Problem sei nämlich der notwendige Anschluss an den Blutkreislauf, um die Designer-Zellen mit Nährstoffen zu versorgen. Für diese Verknüpfung sorgen sogenannte Fibroblasten, die die Algenkapseln überwachsen. Mit der Zeit verstopfen diese allerdings, was die Funktion der Zellen stoppt. „Es wäre aber möglich, dass man die Designer-Zellen tiefgefriert und dann beim Hausarzt deponiert, um sich drei Mal pro Jahr spritzen zu lassen“, so Fussenegger.

„Ich habe Vertrauen in die Methode“

Von der Maus zum Menschen ist es allerdings noch ein weiter Weg. Die Therapie muss in klinischen Tests an unterschiedlichen Patientengruppen auf ihre Wirksamkeit und mögliche Nebenwirkungen überprüft werden. Wenn es soweit ist, würde Fussenegger sich die Designer-Zellen implantieren lassen, vorausgesetzt er hätte Probleme mit der Schuppenflechte: „Ich habe Vertrauen in das, was wir da entwickelt haben und in die Vorschriften zur Umsetzung.“

Quelle: Fussenegger M. et al.: Implantable synthetic cytokine converter cells with AND-gate logic treat experimental psoriasis, Science, Januar 2016.

Autoren- & Quelleninformationen

Jetzt einblenden
Datum :
Autor:
Andrea Bannert
Dr.  Andrea Bannert

Dr. Andrea Bannert ist seit 2013 bei NetDoktor. Die promovierte Biologin und Medizinredakteurin forschte zunächst in der Mikrobiologie und ist im Team die Expertin für das Klitzekleine: Bakterien, Viren, Moleküle und Gene. Sie arbeitet freiberuflich zudem für den Bayerischen Rundfunk und verschiedene Wissenschaftsmagazine und schreibt Fantasy-Romane und Kindergeschichten.

ICD-Codes:
L41M07L40
ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.
Teilen Sie Ihre Meinung mit uns
Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie NetDoktor einem Freund oder Kollegen empfehlen?
Mit einem Klick beantworten
  • 0
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
  • 6
  • 7
  • 8
  • 9
  • 10
0 - sehr unwahrscheinlich
10 - sehr wahrscheinlich