Konzert

Konzertbesuch? Ohrstöpsel einpacken!

Von , Medizinredakteurin und Biologin
Dr. Andrea Bannert

Dr. Andrea Bannert ist seit 2013 bei NetDoktor. Die promovierte Biologin und Medizinredakteurin forschte zunächst in der Mikrobiologie und ist im Team die Expertin für das Klitzekleine: Bakterien, Viren, Moleküle und Gene. Sie arbeitet freiberuflich zudem für den Bayerischen Rundfunk und verschiedene Wissenschaftsmagazine und schreibt Fantasy-Romane und Kindergeschichten.

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Nach einem lauten Konzert klingeln einem oft die Ohren - oder man nimmt Geräusche nur noch gedämpft wahr. Der Grund sind geschädigte Sinneszellen im Ohr. Wie gefährlich ist das für die Lauscher? Und wie kann man sich vor dem zeitweiligen Hörverlust schützen?

Die Haarzellen im Ohr sind Schwerstarbeiter: „Bei einem Rockkonzert müssen sie wahnsinnig schuften – sie sind dann sogar aktiver als Muskelzellen beim Sport“, erklärt Privatdozent Dr. Christoph Klingmann, Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde gegenüber NetDoktor. Und was für alle Organe gilt, gilt auch hier: Überanstrengung ist schädlich. Für das Hörvermögen kann das gravierende Folgen haben.

Hochleistungssport für die Haarzellen

Denn die Haarsinneszellen im Innenohr spielen im Hörprozess eine Schlüsselrolle. Sie nehmen den Schall vom Trommelfell und den Gehörknöchelchen auf. Dabei wandeln sie das akustische Signal in ein elektrisches um, welches anschließend ans Gehirn weitergeleitet wird. Für das eigentliche Hören sind die inneren Haarzellen verantwortlich. Die äußeren sorgen dafür, dass leise Töne verstärkt werden und laute gedämpft. Sie sind es auch, die beim Konzertgenuss überbeansprucht werden. „Wenn die Haarzellen ohne Signal Geräusche abgeben, ist das ein Zeichen dafür, dass sie geschädigt wurden“, so Klingmann.

Darum könne ein Hörtest nach einem Konzert deutlich schlechter ausfallen als vorher, warnt der Ohrexperte. „Bei wem es dann im Ohr klingelt, der hört auch erst mal schlechter.“ Dieser Effekt sei meist umkehrbar, weil sich die Haarzellen wieder erholen, aber nicht immer. Wer direkt vor der Box steht, kann sich auch mit einem einzigen Konzertbesuch einen erheblichen Hörverlust einhandeln.

Festivalbesuch für die Wissenschaft

In der Regel donnern einem bei Rockkonzerten und anderen lauten Musikevents 100 bis 110 Dezibel auf das Trommelfell. Das ist so laut wie eine Kreissäge oder ein Presslufthammer. Maximal 15 Minuten sollte man sich solchem Lärm aussetzen, damit das Gehör keinen Schaden nimmt, empfiehlt die US-amerikanische Behörde Centers for Disease Control and Prevention. Ein durchschnittliches Konzert dauert aber deutlich länger. Dann hilft nur eines: konsequenter Hörschutz.

Was der bewirken kann hat ein Forscherteam um Dr. Wilko Grolman vom University Medical Center in Utrecht untersucht. Dazu schickten die Wissenschaftler Freiwillige auf ein Open-Air-Musik-Festival in Amsterdam. Dort hörten sich die Studienteilnehmer viereinhalb Stunden Konzerte mit einer Durchschnittslautstärke von 100 Dezibel an – die Hälfte von ihnen mit, die übrigen ohne Ohrstöpsel.

Ohrstöpsel müssen sitzen

Der anschließenden Hörtest offenbarte: Die Ohrstöpsel hatten gute Dienste geleistet. In der Gruppe mit Gehörschutz hörten nur acht Prozent nach dem Konzert schlechter und zwölf Prozent hatten einen vorübergehenden Tinnitus. Von den ungeschützten Probanden schnitten 42 Prozent im Hörtest schlechter ab als vor dem Konzert und bei ganzen 40 Prozent klingelte es im Ohr.

Die Stöpsel im Ohr schützen allerdings nur, wenn man sie richtig  verwendet. Bei den einfachen, günstigen Varianten aus Schaumstoff oder Wachs wird das oft falsch gemacht. „Man muss sie fest zusammenknuddeln und dann so in den Gehörgang pressen, dass es fast ein bisschen unangenehm ist“, erklärt Klingmann. Komfortabler sind hochwertige Kunststoff-Ohrstöpsel, die in Musikläden erhältlich sind. Sie lassen die Frequenzen auch gleichmäßiger durch als Schaumstoffstöpsel, so dass das Hörerlebnis weniger dumpf klingt. Auch bei diesen gilt, dass diese gut sitzen und den Gehörgang wirklich verschließen müssen. Die Luxusvariante schließlich sind individuell angepasste Ohrstöpsel, die man beim Hörakustiker bekommt. Ob billig oder luxuriös: Bis zu 15 Dezibel kann man mit optimal sitzenden Ohrstöpsel wegdämpfen. „Sich Taschentücher in die Ohren zu stopfen, bringt übrigens nichts“, warnt Klingmann. Sie lassen den Lärm fast vollständig durch.

Pause für die Ohren

Ein weiterer Tipp des Experten: Den Ohren während des Konzertes eine Erholungsphase geben. „Wenn man sich mal für eine halbe Stunde weiter nach hinten stellt, bringt das schon sehr viel.“ Außerdem sei es ratsam, nicht zum Konzertjunkie zu werden, denn die Ohren brauchen Regenerationsphasen. „Man sollte sich maximal einmal im Monat lauter Musik aussetzen“, sagt Klingmann. Dann könnten sich die Ohren in der Regel vom Stress erholen.

Wer nach einigen ungeschützt genossenen Konzerten keine Probleme hat, sollte sich nicht in falsche Sicherheit wiegen: Zunächst bemerkt man den schleichenden Hörverlust durch die Schädigung der Haarzellen nämlich kaum. Denn er betrifft zuerst die hohen Frequenzen – und die liegen außerhalb des Sprechbereichs. Erste Anzeichen sind dann, dass man Musik nicht mehr so differenziert wahrnimmt oder hohe Frauenstimmen schlechter versteht als tiefere von Männern. Ein solcher Hörverlust ist dann unumkehrbar.

Nach 48 Stunden zum Arzt

Wer nach einem Konzert einen Tinnitus hat oder schlechter hört, sollte seinen Ohren dringend eine Pause gönnen. Vor lauter Begeisterung alle Stücke noch einmal auf dem Kopfhörer durchhören ist dann eine besonders schlechte Idee. Denn auch Musikgenuss über Kopfhörer belastet die Ohren.

Der temporäre Hörverlust und das Klingeln im Ohr sollten spätestens nach 48 Stunden verschwunden sein. Ist dies nicht der Fall, lautet die Empfehlung: zum Ohrenarzt gehen - dann hat man vielleicht ein Lärmtrauma. In der Regel haben sich die Haarzellen aber bereits am nächsten Morgen vom Konzerterlebnis erholt.

Quelle: Grolman W. et al.: Effectiveness of earplugs in preventing recreational noise-induced hearing loss: a randomized clinical trial, JAMA Otolaryngology, April 2016.

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Autor:
Andrea Bannert
Dr.  Andrea Bannert

Dr. Andrea Bannert ist seit 2013 bei NetDoktor. Die promovierte Biologin und Medizinredakteurin forschte zunächst in der Mikrobiologie und ist im Team die Expertin für das Klitzekleine: Bakterien, Viren, Moleküle und Gene. Sie arbeitet freiberuflich zudem für den Bayerischen Rundfunk und verschiedene Wissenschaftsmagazine und schreibt Fantasy-Romane und Kindergeschichten.

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