Zöliakie

Von , Ärztin
Dr. med. R. Schwarz

Dr. Schwarz studierte Medizin in Würzburg, wo sie auch ihre Promotion abschloss. Nach sehr vielseitigen Aufgaben während der medizinischen praktischen Ausbildung (PJ) u.a. in der Inneren Medizin und Chirurgie ist sie nun als Fachärztin für Radiologie tätig.

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Die Zöliakie zeigt sich meist als eine entzündliche Darmerkrankung. Auslöser ist eine fehlgeleitete Immunreaktion auf das Gluten, das in vielen Getreidesorten steckt. Zöliakie verursacht unter anderem Durchfälle, Blähungen sowie Erschöpfung und einen Mangel an Nährstoffen. Lesen Sie hier, welche Ernährungsweise bei Zöliakie notwendig ist.

Zöliakie: Brot und Weizenähren

Kurzübersicht

  • Symptome: Glutenaufnahme führt unter anderem zu Erschöpfung, Blähungen, Durchfall, Hautveränderungen, Eisenmangel
  • Behandlung: Lebenslange strikte glutenfreie Ernährung (kein Weizen, Gerste, Roggen etc.), Ausgleich von Mangelzuständen, selten mit Medikamenten
  • Diagnostik: Blutuntersuchungen, Magenspiegelung mit Gewebeuntersuchung, Ultraschalluntersuchung, seltener Gentest
  • Ursache und Risikofaktoren: Erbliche und äußere Faktoren, Auslöser: Aufnahme von Gluten und fehlgesteuerte Immunreaktion, bestimmte Erkrankungen wie Down-Syndrom, Diabetes mellitus Typ 1, diverse Autoimmunerkrankungen
  • Verlauf und Prognose: Nicht heilbar, ohne Glutenaufnahme beschwerdearm oder -frei, unbehandelt entwickeln sich mitunter Komplikationen wie Blutarmut, Laktoseintoleranz oder Krebserkrankungen im Magen-Darm-Bereich
  • Vorbeugen: Säuglinge lange stillen und vor dem fünften Lebensmonat keine glutenhaltige Beikost, bei Wissen um die Erkrankung: glutenfreie Ernährung, um Beschwerden und Folgeerkrankungen vorzubeugen

Was ist Zöliakie?

Bei der Zöliakie kommt es meist zu einer wiederkehrenden Entzündung des Dünndarms. Ärzte bezeichnen die Zöliakie als "einheimische Sprue" oder "glutensensitive Enteropathie", umgangssprachlich kennt man sie als Glutenunverträglichkeit.

Ursächlich für die Zöliakie ist eine Fehlsteuerung des Immunsystems. Dieses stuft das eigentlich harmlose Klebereiweiß Gluten als gefährlich ein und überreagiert, sobald betroffene Personen Gluten mit der Nahrung aufnehmen. Gluten steckt in vielen Getreidesorten wie Weizen, Roggen oder Dinkel.

Und auch ein körpereigener Stoff ruft das Immunsystem von Zöliakie-Patienten auf den Plan: das Enzym Gewebetransglutaminase. Es spaltet bei Nichtbetroffenen das Gluten.

Weil Gluten und die Gewebetransglutaminase auf der Darmschleimhaut sitzen, entzündet sich diese durch die Angriffe des Immunsystems. Mit der Zeit schädigt die chronische Entzündung die Schleimhaut so stark, dass eine normale Aufnahme der Nahrung über den Darm ins Blut nicht mehr möglich ist.

Normalerweise ist die Darmschleimhaut faltig aufgeworfen, sie bildet sogenannte Zotten. Diese Struktur vergrößert die Oberfläche des Darms. Das hat den Vorteil, dass die Nahrungsbestandteile schneller vom Darm ins Blut übertreten.

Bei Zöliakie zerstören körpereigene Zellen des Immunsystems, sogenannte Auto-Antikörper, diese Ausstülpungen. Die Folge: Es kommt zu schweren Mangelerscheinungen, weil weniger Oberfläche für die Nährstoffaufnahme zur Verfügung steht. Die Zöliakie verursacht auch an anderen Organen Beschwerden.

So verändern sich die Darmzotten bei Zöliakie
Darm bei Zöliakie
Bei Zöliakie entzündet sich die Darmschleimhaut. Dadurch werden die Darmzotten zerstört und die für die Nahrungsaufnahme zur Verfügung stehende Schleimhautoberfläche nimmt ab.

Allergie oder Autoimmunerkrankung?

Zöliakie ist keine Allergie, sondern zählt zu den sogenannten Autoimmunerkrankungen. Das bedeutet, dass bei diesen Erkrankungen das Immunsystem eigene Körperzellen angreift und schädigt. Bei Zöliakie zeigt sich diese Fehlsteuerung des Immunsystems durch die übermäßige Reaktion auf den Auslöser Gluten sowie durch die Bildung von Antikörpern gegen das körpereigenes Enzym Gewebetransglutaminase.

Diese Autoimmunreaktionen führen zu Beschwerden des Magen und Darms, häufiger jedoch zu diversen Symptomen, wie Hautreaktionen, chronische Erschöpfung oder Gelenkschmerzen und -entzündungen.

Wie häufig kommt Zöliakie vor?

Zöliakie ist eine relativ häufige Erkrankung. Generell gehen Experten davon aus, dass etwa ein Prozent der Weltbevölkerung an einer Zöliakie erkrankt. Beim Großteil verursacht die Erkrankung allerdings nur geringe oder moderate Beschwerden. Dadurch gibt es bei der Zöliakie eine hohe Dunkelziffer, weil viele Betroffene gar nicht bemerken, dass sie erkrankt sind.

Insgesamt sind Frauen häufiger betroffen als Männer. Zöliakie bei Kindern tritt gehäuft im frühen Kleinkindalter und bei Erwachsenen um das 40. Lebensjahr auf. Grundsätzlich ist es aber möglich, die Krankheit in jeder Altersstufe zu entwickeln.

Welche Symptome treten auf?

Nehmen Menschen mit Zöliakie glutenhaltige Nahrungsmittel zu sich, treten bei ihnen Beschwerden auf. Häufige Symptome der Glutenunverträglichkeit sind:

  • Erschöpfung (Fatigue)
  • Blähungen und/oder Bauchbeschwerden
  • Eisenmangel
  • Durchfall und/oder Gewichtsverlust
  • Übelkeit und/oder Erbrechen
  • Depressionen und/oder Stimmungsschwankungen

Neben diesen kurzfristigen Symptomen kommt es zu langfristigen Beeinträchtigungen: Bei Zöliakie schädigt die Entzündung die Darmschleimhaut, sodass die Aufnahme aller Nahrungsbestandteile schlechter verläuft. In der Folge entstehen möglicherweise schwere Mangelzustände, etwa ein Eisenmangel. Die gestörte Nährstoffaufnahme führt vor allem bei Kindern unter Umständen zu Entwicklungsstörungen.

Symptome abseits des Darms

Bei einigen Patienten zeigt sich die Zöliakie durch Beschwerden, die nicht direkt mit der Darmfunktion zusammenhängen, beispielsweise Hautprobleme. In diesen Fällen erfolgt die Diagnose Zöliakie oft erst spät. Zu diesen Krankheitszeichen zählen unter anderen:

  • Wasseransammlungen (Ödeme)
  • Hautentzündung mit juckenden, rötlich erhabenen Bläschen
  • Blutarmut, Zungenbrennen, Faulecken (Aphten) am Mund (aufgrund von Eisenmangel)
  • Osteoporose und/oder Knochenschmerzen (aufgrund von Kalziummangel)
  • Zahnschmelzschäden
  • Muskelschwäche und/oder -krämpfe
  • Gelenkschmerzen und -entzündungen
  • Blutergüsse (Hämatome, verursacht durch Vitamin-K-Mangel)
  • Nachtblindheit (Vitamin-A-Mangel)
  • Nervenstörungen

Zöliakie-Symptome bei Kindern

Auch bei Kleinkindern ruft eine Glutenunverträglichkeit Symptome einer Verdauungsstörung hervor. Sie treten erst auf, wenn Gluten Teil der Nahrung ist, also ab einem Alter von drei bis sechs Monaten. Oft zeigen sich bei Kleinkindern folgende Symptome:

Einige Kinder fallen bei Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt auf, weil sie nicht mehr richtig wachsen oder sich ihre Pubertät verzögert. Auch bei Kindern ist Eisenmangel ein typisches Symptom der Glutenunverträglichkeit.

Weitere Anzeichen einer Zöliakie sind Wesens- oder Verhaltensänderungen des Kindes. Die Kinder sind dann auffallend weinerlich, missmutig oder apathisch.

Subklinische Zöliakie: ohne Symptome

Bei manchen Menschen lassen sich die typischen Antikörper für Zöliakie im Blut nachweisen und die Dünndarmschleimhaut ist charakteristisch verändert. Trotzdem haben die Patienten keine Beschwerden. Mediziner sprechen dann von einer subklinischen Zöliakie (früher: "stille" Zöliakie). Meistens entdecken Ärzte diese Form im Rahmen einer Screening-Untersuchung. Diese führen sie zum Beispiel dann durch, wenn nahe Verwandte an Zöliakie leiden.

Selbst bei vollkommen asymptomatischen Patienten ist in manchen Fällen eine glutenfreie Ernährung sinnvoll. Zwar sind die Vorteile weniger ausführlich untersucht als bei einer "typischen" Zöliakie. Dennoch deuten Studien darauf hin, dass auch bei einem subklinischen Krankheitsbild das Risiko für Folgeerkrankungen wie Osteoporose erhöht ist.

Wenn ein Arzt bei Ihnen anhand von Laborwerten und einer Gewebeprobe eine Zöliakie festgestellt hat, Sie aber keinen Beschwerden leiden, dann lassen Sie sich ausführlich von Ihrem Arzt über die Vor- und Nachteile einer glutenfreien Diät aufklären.

Betroffene, die keine offensichtlichen Zöliakie-Symptome haben, leiden manchmal dennoch an unspezifischen, sehr schwachen oder schwer greifbaren Beschwerden. Sie berichten etwa von einer Abgeschlagenheit und Müdigkeit. Auch hier liegt manchmal eine sogenannte subklinische Zöliakie vor. Die Beschwerden bessern sich oftmals unter einer glutenfreien Diät.

Bei Kindern und Jugendlichen mit typischen Blutveränderungen und einer auffälligen Darmschleimhaut ist in jedem Fall eine glutenfreie Ernährung erforderlich – auch wenn keine Symptome vorliegen. In manchen Fällen kommt es nämlich schon früh etwa zu Störungen im Knochenstoffwechsel und Wachstum.

Potenzielle Zöliakie

Manchmal lassen sich Zöliakie-Antikörper bereits nachweisen, bevor sich die Dünndarmschleimhaut verändert hat. Es ist möglich, dass sich daraus eine Zöliakie mit Symptomen entwickelt – ist jedoch nicht notwendigerweise so. Ärzte bezeichnen diese Form als potenzielle Zöliakie (früher auch "latente" Zöliakie).

Tritt eine solche Konstellation auf, testen Ärzte weitere Parameter oder wiederholen die Diagnostik. Die weiteren Empfehlungen richten sich dann etwa nach schon bestehenden Mangelerscheinungen und der Symptomatik des Betroffenen. Häufig reicht es aus, den potenziellen Zöliakie-Patienten zu überwachen und regelmäßig bestimmte Werte zu kontrollieren.

Wie wird Zöliakie behandelt?

Erkrankt ein Mensch an Zöliakie, begleitet ihn die Krankheit sein Leben lang. Bisher gibt es keine heilende Therapie. Möchte ein Betroffener seine Beschwerden lindern und das Risiko für Folgeerkrankungen senken, dann ist es notwendig, dass er sich dauerhaft glutenfrei ernährt. Aus diesem Grund steht die lebenslange glutenfreie Ernährungstherapie bei der Zöliakie an erster Stelle.

Halten Betroffene diese glutenfreie Diät konsequent ein, bilden sich die Zöliakie-Symptome fast immer vollkommen zurück. Sobald Gluten wieder Teil der Ernährung ist, treten die Beschwerden erneut auf. Bei vielen liegt die tägliche Toleranzgrenze an Gluten bei unter 10 Milligramm pro Tag, das ist etwa ein Drittel eines Brotcroutons.

Im Rahmen der Zöliakie-Behandlung gleichen Ärzte zudem eventuell bestehende Mangelzustände aus, bis der angegriffene Darm sich normalisiert hat.

Meist verweist der Arzt Betroffene an Beratungsstellen, die bei der Ernährungstherapie unterstützen. Wichtig ist zudem, dass sich Lebenspartner oder gemeinsam im Haushalt lebende Personen, die sich glutenhaltig ernähren, über die Zöliakie mitschulen lassen.

Worauf ist bei der Ernährung zu achten?

Frisch diagnostizierte Zöliakie-Patienten fühlen sich zunächst extrem in ihrer Ernährung eingeschränkt. Tatsächlich ist es notwendig, eine Vielzahl von Lebensmitteln von nun an vom Speiseplan zu streichen. Je intensiver sich Betroffene über die glutenfreie Ernährung informieren, desto mehr Möglichkeiten finden sie, sich glutenfrei und dennoch abwechslungsreich zu ernähren.

Folgende Hinweise bieten Ihnen eine Hilfestellung, welche Getreidesorten und Lebensmittel Sie bei Glutenunverträglichkeit am besten meiden und welche unbedenklich für Sie sind:

Strikt meiden: Glutenhaltige Getreidesorten

Es ist dringend empfohlen, auf folgende glutenhaltige Getreidesorten sowie Produkte bei einer Glutenunverträglichkeit vollständig und dauerhaft zu verzichten:

  • Weizen
  • Roggen               
  • Gerste
  • Dinkel  
  • Grünkern          
  • Triticale
  • Tritordeum
  • Urkorn
  • Einkorn               
  • Emmer Kamut
  • Hafer (löst nicht bei allen Betroffenen Beschwerden aus)

Glutenhaltige Lebensmittel

Gluten steckt in vielen getreidehaltigen Produkten. Grundsätzlich sind die Hersteller in Europa nach der Lebensmittelverordnung verpflichtet, glutenhaltige Nahrungsmittel nach der Allergenkennzeichnungspflicht auszuzeichnen. Dabei müssen glutenhaltige Zutaten wie beispielsweise Weizen auf der Zutatenliste erscheinen. Der Begriff "Gluten" selbst ist nicht zwingend zu erwähnen.

Für Menschen mit Zöliakie ist es also notwendig zu wissen, welche Zutaten Gluten enthalten. Ein Lebensmittel gilt dann als glutenfrei, wenn es maximal 20 ppm (20 Milligramm pro Kilogramm des Produkts) Gluten enthält. Es gibt ein spezielles Symbol, mit dem glutenfreie Lebensmittel gekennzeichnet sind: eine durchgestrichene Getreideähre.

In folgenden Lebensmitteln ist fast immer Gluten enthalten. Es ist ratsam, diese als Zöliakie-Patient ebenfalls zu meiden.

  • Brot und andere Backwaren
  • Nudeln
  • Pizza
  • Müsli und andere Frühstückscerealien
  • Kekse
  • Paniertes Fleisch
  • Malzkaffee
  • Bier
  • Sojasauce (aber: es gibt glutenfreie Sojasauce)

Glutenfreie Getreidesorten

Glücklicherweise gibt es einige Getreidesorten, die kein Gluten enthalten und damit für Menschen mit Glutenunverträglichkeit unbedenklich sind. Zu den glutenfreien Getreidesorten gehören:

  • Reis
  • Mais
  • Hirse
  • Buchweizen
  • Amaranth
  • Quinoa
  • Wildreis
  • Teff (Zwerghirse)

Es ist wichtig, schon bei der Lagerung der Lebensmittel darauf zu achten, glutenfreie und glutenhaltige Lebensmittel getrennt voneinander aufzubewahren. Ansonsten kommt es zu einer "Verunreinigung" (Kontamination) mit Gluten der glutenfreien Nahrungsmittel.

Glutenfreie Nahrungsmittel

In den folgenden Nahrungsmitteln steckt von Natur aus kein Gluten. Ihre Aufnahme ist daher unbedenklich (sofern sie keine glutenhaltigen Zusätze enthalten):

  • Sämtliche Obst- und Gemüsesorten
  • Kartoffeln
  • Fleisch, Geflügel, Fisch, Meeresfrüchte
  • Hülsenfrüchte wie beispielsweise Soja
  • Eier, Milch, Milchprodukte, Butter, Margarine
  • Marmeladen, Honig
  • Zucker, Salz, Kräuter
  • Nüsse und Öle
  • Wasser und Säfte
  • Wein und Sekt
  • Kaffee und Tee

Wie behandelt man Mangelerscheinungen?

Bei einer Zöliakie entzündet sich aufgrund der Attacken des eigenen Immunsystems der Darm. Dies stört mitunter die normale Aufnahme von Nährstoffen ins Blut. Insbesondere lebenswichtige Vitamine und Spurenelemente sind betroffen. Es ist notwendig, diese bei einem Mangel durch die Zöliakie zuzuführen.

Bei den Vitaminen fehlt es häufig an Vitamin A, Vitamin B6 und B12, Folsäure und Vitamin K. Außerdem nimmt der Körper die Spurenelemente Eisen, Magnesium und Kalzium bei Zöliakie oft nur unzureichend auf.

Die verschiedenen Mangelzustände haben zum Teil gravierende Folgen. Beispielsweise lösen zu wenig Eisen, Folsäure oder Vitamin B12 eine Blutarmut (Anämie) aus. Durch den Mangel an Vitamin K kommt es unter Umständen zu schweren Blutungen. Eine typische Folge des Kalziummangels sind Muskelkrämpfe.

Treten Mangelerscheinungen auf, ist eine künstliche Zufuhr der fehlenden Vitamine und Spurenelemente notwendig. In leichteren Fällen ist dies in Form von Tabletten oder Kapseln möglich. Manchmal ist jedoch eine Infusion über die Vene oder zumindest eine Injektion in den Muskel nötig, da der entzündete Darm die fehlenden Substanzen vermutlich nur unzureichend aufnimmt.

Wie sieht die Zöliakie-Behandlung beim Baby aus?

Leidet eine Schwangere an einer Zöliakie oder gibt es Verwandte mit dieser Erkrankung in ihrer Familie, ist es empfehlenswert, dass sie ihr Kind möglichst lange stillt. Muttermilch hat nachweislich einen schützenden Effekt gegen Zöliakie.

Experten sprechen sich in ihren Empfehlungen (Leitlinien) zur Behandlung der Zöliakie dafür aus, Säuglingen ab dem fünften Lebensmonat glutenhaltige Beikost zuzufüttern. Kinder von Zöliakie-Betroffenen haben ein höheres Risiko, ebenfalls zu erkranken. Eine Zufütterung von Gluten ab dem fünften Lebensmonat scheint das Erkrankungsrisiko jedoch zu senken und vorbeugend zu wirken.

Bei Verdacht auf Zöliakie im Baby- und Kindesalter ist es sehr wichtig, unverzüglich prüfen zu lassen, ob eine Glutenunverträglichkeit für die Beschwerden verantwortlich ist. Andernfalls drohen bei einer nicht entdeckten und damit unbehandelten Zöliakie durch den Mangel an Vitaminen, Spurenelementen und Nährstoffen schwere Entwicklungsstörungen.

Die nicht behandelbare Zöliakie

Die sogenannte refraktäre Zöliakie, also eine nicht behandelbare Form der Zöliakie, ist eine sehr seltene Verlaufsform. Sie tritt bei bis zu 1,5 Prozent der Zöliakie-Betroffenen auf. Bei einer refraktären Zöliakie sind im Blut und in einer Dünndarmprobe die typischen Zeichen einer Glutenunverträglichkeit nachweisbar.

Allerdings ist es dem Betroffenen nicht möglich, die Erkrankung mit einer strikten glutenfreien Ernährung positiv zu beeinflussen. Von einer refraktären Zöliakie spricht man, wenn die Beschwerden während einer zwölfmonatigen glutenfreien Diät nicht nachlassen oder typische oder atypische Zöliakie-Symptome nach einer Verbesserung wieder auftreten.

Im Fall der nicht behandelbaren Zöliakie leiten Ärzte betroffene Personen an Fachzentren weiter, da sich die Beschwerden dann meist nur mit einer speziellen Ernährung und bestimmten Medikamenten (Kortison und Immunsuppressiva) lindern lassen.

Wie entsteht Zöliakie?

Die Mechanismen, die bei einer Zöliakie im Körper ablaufen, sind schon relativ gut erforscht. Dennoch ist die Ursache der Entstehung der Zöliakie bisher noch nicht geklärt.

Unter anderem tragen genetische Faktoren dazu bei. Da nicht alle Menschen mit einer entsprechenden Veranlagung tatsächlich an Zöliakie erkranken, gehen Ärzte davon aus, dass es weitere Einflussfaktoren gibt. Man vermutet, dass die Ernährung und andere Umweltfaktoren eine Rolle spielen.

Erbliche Faktoren

Bei Zöliakie spielen erbliche Faktoren eine maßgebliche Rolle. Der Großteil der Menschen mit Zöliakie besitzt ein bestimmtes Oberflächenprotein auf den Immunzellen. Dieses Protein bindet Bruchstücke des Glutens und ist an der entzündlichen Immunreaktion beteiligt. Da es erblich ist, haben Kinder von Betroffenen ein höheres Risiko, an Zöliakie zu erkranken.

Ärzte stellen zwei Gene fest, die das Risiko an Zöliakie zu erkranken erhöhen (HLA-DQ2 und HLA-DQ8). Gleichzeitig erkranken nicht alle Personen an Zöliakie, die diese Gene tragen. Aus diesem Grund gehen Ärzte davon aus, dass weitere Faktoren ursächlich sind.

Ärzte vermuten, dass ebenso andere Autoimmunkrankheiten wie eine Form der Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus Typ 1) oder autoimmune Schilddrüsenentzündungen mit diesem Oberflächenprotein in Verbindung stehen. Allerdings besitzen auch viele gesunde Menschen dieses Oberflächenprotein. Deshalb haben offenbar Umweltfaktoren ebenfalls einen Einfluss auf die Entstehung der Erkrankung.

Ernährung und Umwelt

Menschen, die schon früh als Neugeborene mit glutenreicher Nahrung in Kontakt gekommen sind, erkranken häufiger an Zöliakie. Es ist wichtig, dass Baby-Nahrung – vor allem, wenn das Kind nahe Verwandte mit Glutenunverträglichkeit hat – aus Muttermilch oder aber glutenfreier Nahrung besteht.

Ab dem fünften Lebensmonat wirken geringe Mengen Gluten allerdings sogar vorbeugend. Infektionen mit Darmviren oder eine Änderung der bakteriellen Darmflora sind möglicherweise ebenfalls Risikofaktoren. Außerdem geht man davon aus, dass psychosoziale Faktoren wie Stress dazu beitragen, dass eine Zöliakie entsteht.

Zusammenhang mit anderen Erkrankungen

Zöliakie tritt gehäuft zusammen mit anderen Erkrankungen auf, diese sind:

Weshalb bei diesen Erkrankungen gehäuft eine Zöliakie auftritt, ist nach wie vor unklar.

Wie wird Zöliakie festgestellt?

Der richtige Ansprechpartner bei Verdacht auf eine Glutenunverträglichkeit ist ein Facharzt für Innere Medizin, der auf Erkrankungen des Verdauungstraktes spezialisiert ist (Gastroenterologe). Zu diesem überweist Sie in der Regel der Hausarzt.

Wichtig für die Diagnose ist, dass der Betroffene sich weiterhin normal ernährt und nicht bereits mit einer glutenfreien Ernährung begonnen hat. Nur dann ist es dem Arzt möglich, die Diagnose sicher zu stellen. Falls Sie den Verdacht haben, Zöliakie zu haben, nehmen Sie also Gluten weiterhin zu sich, damit sie feststellbar ist.

Zöliakie: Anamnese und körperliche Untersuchung

Zunächst erkundigt sich der Arzt über Ihre aktuellen Beschwerden und eventuelle Vorerkrankungen (Anamnese). Dazu stellt er Ihnen bei Verdacht auf Zöliakie oder nach einem positiven Zöliakie-Selbsttest zum Beispiel folgende Fragen:

  • Leiden Sie in letzter Zeit oft an Durchfall oder Bauchschmerzen?
  • Haben Sie in den letzten Wochen und Monaten ungewollt an Gewicht verloren?
  • Bei Kindern und Jugendlichen: Liegen Wachstumsstörungen vor? Verzögert sich die Pubertät?
  • Haben Sie Auffälligkeiten an der Haut bemerkt?
  • Liegt bei einem Familienmitglied eine Glutenunverträglichkeit vor?
  • Waren Sie schon einmal zum Zöliakie-Test beim Arzt oder haben Sie einen Selbsttest durchgeführt?

Auf die Anamnese folgt die körperliche Untersuchung. Dabei sucht der Arzt nach Auffälligkeiten der Haut und der Zunge. Er hört mit dem Stethoskop den Bauchraum ab, um die Darmgeräusche zu überprüfen. Außerdem klopft und tastet er den Patienten ab, wobei er oft vermehrte Luft im Bauch, Flüssigkeit und Darmverdickungen feststellt.

Da der Darm von außen nur eingeschränkt beurteilbar ist, sind für eine Zöliakie-Diagnose in der Regel weitere Untersuchungen notwendig. Bei der Ultraschalluntersuchung zeigen sich nur wenige typische Anzeichen für die Zöliakie.

Laboruntersuchungen

Im weiteren Verlauf der Untersuchungen nimmt der Arzt Blut ab. Ein Zöliakie-Test bestimmt verschiedene Antikörper im Blutserum, die für eine Glutenunverträglichkeit typisch sind.

Wann man den Zöliakie-Test durchführt und wie er genau abläuft, lesen Sie im Beitrag Zöliakie-Test. Es gibt auch einen Selbsttest, um eine Glutenunverträglichkeit aufzudecken. Allerdings ist dieser nicht besonders zuverlässig. Deshalb ist es dringend ratsam, dass Sie sich nicht nur auf das Ergebnis des Selbsttest verlassen, sondern immer auch einen Arzt aufsuchen.

Gewebeprobe

Zusätzlich zum Zöliakie-Test lässt sich im Rahmen einer Speiseröhren- und Magenspiegelung eine Gewebeprobe aus dem Dünndarm entnehmen. Weist diese die typischen Zöliakie-Veränderungen auf, liegt eine Glutenunverträglichkeit vor.

Eine Ausnahme zur Diagnosesicherung durch eine Gewebeprobe stellen Kinder oder Personen unter 18 Jahren dar. Hier verzichten Ärzte auf die Gewebeprobe, falls dies nach einem Beratungsgespräch nicht gewünscht ist. Stattdessen ist dann meist eine zweite Blutprobe mit entsprechend sehr hohen Antikörperwerten und bestimmten genetischen Laborwerten notwendig.

Symptombesserung unter glutenfreier Diät

Ist die Diagnose trotz der durchgeführten Untersuchungen unsicher, ist eine glutenfreie Diät von acht Wochen ratsam. Im Anschluss daran lassen sich nach einer gezielten Glutenbelastung sowohl die Gewebeprobe als auch der Zöliakie-Test im Blut wiederholen.

Gentest

Grundsätzlich ist eine genetische Untersuchung auf bestimmte Risikogene nicht notwendig, um die Diagnose zu stellen. Ausgenommen sind dabei bestimmte Personengruppen mit einem erhöhten Risiko:

  • Kinder oder Geschwisterkinder von Zöliakie-Betroffenen
  • Kinder mit bestimmten Erkrankungen (Down-Syndrom, Ulrich-Turner Syndrom, Williams-Beuren-Syndrom)
  • Bei Menschen mit unklaren Gewebeproben und Laboruntersuchungen
  • Personen, die sich aufgrund von Beschwerden bereits monatelang glutenfrei ernähren

Eine Zöliakie-Diagnose ist nicht immer einfach, denn viele Patienten leiden unter untypischen Krankheitszeichen. Deshalb erfolgt die Diagnose oft viele Jahre verzögert oder gar nicht.

Viele Ärzte stellen Betroffenen einen Zöliakie-Pass aus, wenn die Diagnose feststeht. Der Vorteil eines solchen Dokuments ist, dass hier alle ärztlichen Befunde aufgeführt sind. Auch die Ergebnisse der Kontrolluntersuchungen und Informationen zum Verlauf sind hier zu finden. Das ist beispielsweie nützlich, wenn Sie den Arzt wechseln.

Ist Zöliakie heilbar?

Die Zöliakie ist eine Erkrankung, die Betroffene ihr Leben lang begleitet. Unter einer glutenfreien Diät verschwinden die Symptome jedoch meist vollständig. Eine glutenfreie Ernährung stellt viele Menschen zunächst vor größere Probleme, da sie einen massiven Einschnitt in die bisherigen Ernährungsgewohnheiten bedeutet.

Wenn sich der Betroffene jedoch ausführlich mit den Möglichkeiten der glutenfreien Ernährung auseinandersetzt, ist eine abwechslungsreiche Ernährung möglich.

Mögliche Komplikationen

Zöliakie-Patienten, bei denen die Krankheit lange Zeit besteht, haben ein erhöhtes Risiko für bestimmte Krebserkrankungen im Magen-Darm-Trakt (intestinales T-Zell-Lymphom, Adenokarzinom). Experten gehen aber davon aus, dass das Risiko für diese Krebserkrankungen auf das von Gesunden sinkt. Voraussetzung ist eine strikte glutenfreie Ernährungsweise.

Außerdem entstehen manchmal durch die Entzündung im Darm gravierende Mangelzustände an Vitaminen, Spurenelementen und anderen Nährstoffen. Auch weitere Störungen der Verdauung, wie beispielsweise eine Laktoseintoleranz, treten mitunter auf.

Der Mangel an dem milchzuckerspaltenden Enzym Laktase entsteht dabei durch die Darmentzündung, weil Laktase normalerweise im Bereich der Darmschleimhaut des Dünndarms ihre Funktion erfüllt. Die Verdauung des Milchzuckers ist dadurch nicht mehr möglich, und es tritt häufig zumindest zeitweise eine Laktoseintoleranz auf.

All diese Krankheitsfolgen treten bei Menschen, die von ihrer Zöliakie-Erkrankung wissen und sich mit einer glutenfreien Ernährung schützen, in der Regel nicht auf.

Allerdings gibt es viele Menschen, bei denen die Zöliakie noch nicht festgestellt wurde. Dank neuer Untersuchungsmöglichkeiten ist die Krankheit mittlerweile sehr einfach zu diagnostizieren. Vor allem für Menschen mit typischen Beschwerden, assoziierten Begleiterkrankungen und Verwandten mit Zöliakie ist es ratsam, sich testen zu lassen.

Zöliakie-Krise

In sehr seltenen Fällen kommt es zu einer sogenannten Zöliakie-Krise, die potenziell lebensbedrohlich ist. Gekennzeichnet ist sie von:

  • Sehr starken Durchfällen
  • Ausgeprägten Mangelzuständen wichtiger Nährstoffe
  • Störungen des Wasserhaushalts
  • Austrocknung (Dehydratation)

Durch die sofortige Unterbindung der Glutenzufuhr, den Ausgleich der Mangelzustände und des Wasserhaushalts des Körpers ist es Ärzten möglich, den Zustand der Betroffenen wieder zu stabilisieren.

Zöliakie: Grad der Behinderung

Es ist in manchen Fällen möglich, einen Grad der Behinderung (GdB) für die Erkrankung Zöliakie zu erhalten. Sprechen Sie gegebenenfalls Ihren Arzt darauf an. In der Regel ist dazu ein Antrag beim zuständigen Amt notwendig, dort erfolgt die Ermittlung des GdB nach den vorliegenden Befunden und den gesetzlichen Vorgaben.

Kann man Zöliakie vorbeugen?

Da Zöliakie auch erblich bedingt ist, sind vorbeugende Maßnahmen teilweise schwierig. Gleichzeitig erkranken nicht alle Menschen an Zöliakie, obwohl sie die Veranlagung dazu haben.

Grundsätzlich ist bei der Ernährung von Säuglingen darauf zu achten, ihnen nicht zu früh glutenhaltige Nahrung zu geben (vor dem fünften Lebensmonat) und sie sofern möglich zu stillen. Dies führte in Untersuchungen zu einem deutlich niedrigeren Risiko, an Zöliakie zu erkranken.

Ist die Zöliakie bekannt, ist es ratsam, streng auf eine glutenfreie Ernährung zu achten. Dadurch sinkt das Risiko für Folgeerkrankungen sowie für Mangelzustände an Nährstoffen. Ärzte empfehlen regelmäßige Kontrolluntersuchungen wahrzunehmen, bei denen sie Laborwerte und Beschwerden im Auge behalten. Wann genau diese stattfinden, hängt vom Alter des Patienten und dem Verlauf ab.

Weiterführende Informationen

Leitlinien:

  • S2k-Leitlinie: Zöliakie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (Stand: Dez. 2021): https://www.dgvs.de/wp-content/uploads/2021/12/Leitlinie-LL-Zo%CC%88liakie_final_13.12.21.pdf

Selbsthilfegruppen:

Autoren- & Quelleninformationen

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Datum :
Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Vorlage:
Prof. Dr. med. Ove Schaffalitzky de Muchadell
Autor:
Dr. med. R. Schwarz
Dr. med.  R. Schwarz

Dr. Schwarz studierte Medizin in Würzburg, wo sie auch ihre Promotion abschloss. Nach sehr vielseitigen Aufgaben während der medizinischen praktischen Ausbildung (PJ) u.a. in der Inneren Medizin und Chirurgie ist sie nun als Fachärztin für Radiologie tätig.

ICD-Codes:
K90
ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.
Quellen:
  • Allergieinformationsdienst: Zöliakie; Stand: 13.08.2019, unter: www.allergieinformationsdienst.de (Abrufdatum: 02.02.2022)
  • Deutsche Zöliakie Gesellschaft e. V. (DZG), unter: www.dzg-online.de (Abrufdatum: 02.02.2022)
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, 2022
  • Ivarsson, A. et al.: Epidemic of coeliac disease in Swedish children. Acta Paediatr 2000; 89: 165–71
  • Lebwohl, B. et al.: Coeliac disease. In: The Lancet. 2018 Jan 6;391(10115):70-81., unter: www.thelancet.com (Abrufdatum: 11.08.2021)
  • Norris, J. M. et al.: Risk of celiac disease autoimmunity and timing of gluten introduction in the diet of infants at increased risk of disease. JAMA 2005; 293: 2343–51.
  • Pschyrembel Online: Zöliakie, unter: www.pschyrembel.de (Abrufdatum: 22.02.2022)
  • S2k-Leitlinie der Dt. Ges. f. Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS): Zöliakie (Stand: Dezember 2021), unter: www.dgvs.de (Abrufdatum: 02.02.2022)
  • Schuppan, D. & Zimmer, K.-P.: Diagnostik und Therapie der Zöliakie, in: Deutsches Ärzteblatt (2013), Ausgabe 110 (49), S. 835-846
  • Taylor, A. K. et al.: Celiac Disease. GeneReviews®; Stand: Update 31.01.2019, unter: www.ncbi.nlm.nih.gov (Abrufdatum: 02.02.2022)
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