Internetsucht

Von , Masterstudium in Psychologie
Julia Dobmeier

Julia Dobmeier absolviert derzeit ihr Masterstudium in Klinischer Psychologie. Schon seit Beginn ihres Studiums interessiert sie sich besonders für die Behandlung und Erforschung psychischer Erkrankungen. Dabei motiviert sie insbesondere der Gedanke, Betroffenen durch leicht verständliche Wissensvermittlung eine höhere Lebensqualität zu ermöglichen.

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Ob per Smartphone oder PC: Die Internet-Sucht ist eine Verhaltenssucht, die zunehmend häufiger wird. Vor allem Jugendliche werden schnell in den Bann der virtuellen Welt gezogen. Freunde, Familie und die Schule verlieren an Bedeutung. Die Abschottung von der Wirklichkeit hat weitreichende Folgen für das soziale und berufliche Leben sowie auf die Gesundheit. Lesen Sie hier alle wichtigen Informationen zur Internetsucht.

Internetsucht

Kurzübersicht

  • Beschreibung: Die Internetsucht (auch Handysucht/Onlinesucht) zählt zu den Verhaltenssüchten.
  • Symptome: Vernachlässigung von Aufgaben, sozialen Kontakten, Job, Schule und Hobbys, Leistungsabfall, Vereinsamung, Kontrollverlust bzgl. Dauer und Zeitpunkt der Internetnutzung, Reizbarkeit bei Entzug
  • Ursachen: Soziale/familiäre Konflikte, Einsamkeit, geringes Selbstwertgefühl, Bildung eines Suchtgedächtnisses im Belohnungszentrums des Gehirns.
  • Diagnose: Anhand von Suchtkriterien wie Kontrollverlust, Toleranzbildung, Interessenverlust, weiterer exzessiver Konsum trotz negativer Folgen, sozialem Rückzug, Vernachlässigung von Aufgaben.
  • Behandlung: Spezialisierte verhaltenstherapeuthische Behandlung in Gruppen und Einzelgesprächen, in leichteren Fällen ambulant, sonst in spezialisierten Kliniken.
  • Prognose: Bei Krankheitseinsicht und Wahrnehmung einer spezialisierten Therapie lässt sich das Suchtverhalten steuern.

Internetsucht: Beschreibung

Das Internet ist aus der heutigen Welt nicht mehr wegzudenken. Arbeiten, Einkaufen, Austausch mit Freunden – fast jeder Lebensbereich hängt mit dem Internet zusammen. Vor allem Kinder und Jugendliche sind gefährdet, sich in der virtuellen Welt zu verlieren. Per Smartphone begleitet es einen inzwischen rund um die Uhr. Wenn die reale Welt in den Hintergrund rückt, bedroht das Internet sowohl die geistige als auch die körperliche Gesundheit.

Das Phänomen des krankhaften (pathologischen) Computer-, Handy- und Internetgebrauchs ist noch relativ jung und wird daher erst seit einigen Jahren erforscht. Die Internetsucht, auch Handysucht oder Onlinesucht genannt, gehört zu den Verhaltenssüchten. Anders als bei der Alkohol- oder Drogensucht macht nicht der Konsum eines Stoffes abhängig, sondern das Verhalten selbst wird zur Obsession. Bei einer Internetsucht nutzen die Betroffenen das Internet so exzessiv, dass sie dafür andere Lebensbereiche vernachlässigen. Hobbys, Freunden und Familie, Schule und Beruf schenken Internetsüchtige kaum noch Aufmerksamkeit. Trotz der enormen Auswirkungen des süchtigen Verhaltens auf das Leben können die Betroffenen nicht mehr damit aufhören. Die Sucht verselbstständigt sich, und das Verhalten wird zum Zwang.

Eine Sucht mit vielen Gesichtern

Onlinesucht, Handysucht, Computerspielsucht, computervermittelte Kommunikationssucht - es gibt viele Namen für die Internetsucht und viele Formen süchtigen Verhaltens im Netz. Die Männer ziehen vor allem Online- und Computerspiele in den Bann. In „World of Warcraft“ können die Spieler in einer virtuellen Parallelwelt Monster bekämpfen und neue Welten erkunden. Das suchtverstärkende Mittel sind Belohnungen in Form von Erfahrungspunkten oder virtuellen Gegenständen, die sie im Spiel stärker machen.

Mädchen verbringen die Zeit im Internet vorzugsweise in sozialen Netzwerken, wie beispielsweise Facebook. Sie tauschen sich stundenlang mit Freunden, aber auch unbekannten Personen im Netz aus. Das Internet bietet ihnen die Möglichkeit, sich so darzustellen, wie sie gerne sein möchten. Für viele ist es verlockend, die Persönlichkeit und das Aussehen verändern zu können. Zudem ist man im Internet nie alleine. Fremde Menschen werden zu scheinbar guten Freunden, auch wenn man ihnen im echten Leben nie begegnet ist.

Weitere Formen der Internetsucht sind die krankhafte Nutzung von Glücksspielen und Wetten, die im Internet ablaufen. Der zwanghafte Gebrauch von erotischen Chats wird als Cybersex-Sucht bezeichnet.

Wer ist von der Internetsucht betroffen?

Die Internetsucht ist noch nicht ausreichend erforscht. Aufgrund der uneinheitlichen Diagnosekriterien kann man die Zahl der Internetsüchtigen lediglich schätzen. Das Bundesministerium für Gesundheit geht davon aus, dass etwa ein Prozent der 14- bis 64-Jährigen einem krankhaften Internet- und Computerspielgebrauch frönen. Am häufigsten tritt die Internetsucht bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf. Frauen sind ebenso oft davon betroffen wie Männer. Männer bevorzugen jedoch Computerspiele, während die Frauen die meiste Zeit in sozialen Netzwerken verbringen.

Die Internetsucht kommt selten alleine

Studien der letzten Jahre zeigen, dass etwa 86 Prozent der Internetsüchtigen eine weitere psychische Störung aufweisen. Sehr häufig treten Depressionen, ADHS und auch Alkohol- und Tabaksucht gleichzeitig mit der Onlinesucht auf (Komorbidität). Ob die psychischen Störungen die Gefahr für Internetsucht erhöhen oder Folge einer Internetsucht sind, ist noch nicht geklärt. Vermutlich ist beides möglich und von Person zu Person verschieden.

Internetsucht: Symptome

Internetsüchtige haben ständig das Verlangen, sich im Internet aufzuhalten. Das hat eine Vielzahl negativer Konsequenzen. Die Vernachlässigung der alltäglichen Aufgaben, der Freunde und Hobbys, aber auch körperliche und psychische Schwierigkeiten, können Hinweise auf ­­­­­eine Internetsucht sein.

Leistungsabfall

Forscher haben festgestellt, dass internetsüchtige Jugendliche schlechtere Leistungen in der Schule erbringen. Die exzessive Nutzung des Internets erzeugt kognitive Probleme. Dadurch sind vor allem die Konzentrationsfähigkeit und die Aufmerksamkeit betroffen. Ein weiterer Grund dafür ist natürlich, dass die meiste Zeit für das süchtige Verhalten beansprucht wird und kaum noch Zeit für Schulaufgaben oder andere Verpflichtungen bleibt.

Auch bei Erwachsenen zeigen Studien, dass die Arbeitsleistung aufgrund der Internetsucht sinkt und der Kontakt zu Arbeitskollegen gering ist. Je ausgeprägter das Suchtverhalten ist, desto höher ist die Gefahr einer Kündigung. Die finanziellen Folgen können bis zur existenziellen Bedrohung führen.

Vereinsamung

Die fehlende Zeit macht sich auch im sozialen Bereich bemerkbar. Onlinesüchtige beachten ihre Freunde und ihre Familie wenig bis gar nicht mehr. Häufig vereinsamen sie, ohne es zu bemerken. Sie leben in der Illusion, im Internet echte Freundschaften zu pflegen. Es entstehen zwar manchmal tatsächlich auch Freundschaften im Internet, doch in der Regel finden keine Treffen im realen Leben statt. Die bestehenden Freundschaften in der realen Welt zerbrechen, wenn sich der Betroffene nur noch im Internet aufhält. Für Menschen, die Schwierigkeiten haben, Kontakt zu finden, scheint das Internet zunächst eine gute Lösung zu sein. Untersuchungen zeigen jedoch, dass sich ihre Situation dadurch noch verschlechtert.

Gesundheitsschäden

Wegen ihres ständigen Verlangens, sich im  Internet aufzuhalten und der Angst, etwas zu verpassen, unterdrücken viele Betroffenen ihr Bedürfnis nach Schlaf. Online-Rollenspiele erzeugen zudem ein erhöhtes Erregungsniveau, welches das Einschlafen erschwert. Internetsüchtige klagen häufig über Schlafstörungen. Der fehlende Schlaf wirkt sich wiederum auf die Konzentrationsfähigkeit und auch die Stimmung aus. Die Betroffenen können depressive Züge sowie Aggressivität und Gereiztheit entwickeln.

Neben dem Schlaf vernachlässigen Betroffene auch andere Grundbedürfnisse, wie zum Beispiel ihre Ernährung. Viele ernähren sich von Fast Food oder Süßigkeiten, weil für das Essen nicht mehr viel Zeit bleibt. Manche vergessen sogar ganze Mahlzeiten. Es gibt daher Internetsüchtige, die eher übergewichtig sind, und andere, die normal- bis untergewichtig sind. Die Gefahr für Übergewicht wird durch die mangelnde Bewegung verstärkt.

Das ständige Sitzen vor dem Computer wirkt sich auf die Haltung aus. Gelenkschmerzen, Nacken- und Kopfschmerzen, ebenso Sehstörungen sind weitere Probleme, die die Internetsucht mit sich bringt.

Entzugserscheinungen

Auch bei Verhaltenssüchten gibt es Entzugserscheinungen. Wenn die Betroffenen nicht ins Internet können, werden sie niedergeschlagen und antriebslos, gereizt und schlecht gelaunt. Manche werden sehr unruhig und sogar aggressiv.

Internetsucht: Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursachen der Internetsucht wurden bisher noch kaum erforscht. Wie auch bei anderen Süchten spielen vermutlich auch bei der Entstehung der Internetsucht mehrere Faktoren zusammen. Viele Experten sehen das Internet oder den Computer nicht als Ursache, sondern als Auslöser der Sucht. Demnach sollen die wahren Ursachen in tieferliegenden psychischen Konflikten liegen. Ein weiterer Einflussfaktor vermutet man in einer Störung der Botenstoffe im Gehirn. Ob die Internetsucht auch genetische Ursachen hat, konnten Wissenschaftler noch nicht eindeutig beweisen.

Suche nach Kontakt

Forscher gehen davon aus, dass soziale und familiäre Konflikte eine wichtige Rolle spielen. Kinder und Jugendliche, die sich mit sozialen Kontakten schwertun und eine Vorliebe für das Internet haben, sind besonders gefährdet, eine Internetsucht zu entwickeln. Denn wer in der echten Welt keine Freunde findet, der sucht sich diese heutzutage im Netz.

Geringes Selbstwertgefühl

Menschen, die sich sozial zurückziehen, leiden häufig unter einem geringen Selbstwertgefühl. Im Internet können die Betroffenen sich nicht nur ein neues Gesicht geben, sondern auch in Computerspielen zu mutigen Kämpfern werden. Die virtuelle Welt belohnt somit den Spieler und wertet sein Selbstbild auf. Im gewissen Umfang ist das auch in sozialen Netzwerken möglich, in denen man sich nur von seiner Schokoladenseite präsentiert oder gar eine erfundene Identität annehmen kann. Gefährlich wird es, wenn die Computerwelt für den Betroffenen attraktiver wird als das reale Leben.

Familiäre Konflikte

Einige Studien weisen darauf hin, dass Konflikte in der Familie den Rückzug der Kinder in das Internet begünstigen. Jugendliche, die süchtig nach dem Internet sind, leben oft nur mit einem Elternteil zusammen. Die genauen Zusammenhänge sind jedoch unklar. Fest steht, dass in vielen Fällen ein Mangel an sozialer Unterstützung besteht.

Biochemische Ursachen

Untersuchungen zeigen, dass auch bei den Verhaltenssüchten ähnliche Veränderungen im Gehirn stattfinden, wie zum Beispiel bei einer Alkoholsucht. Auch bei der Internetsucht spielt höchst wahrscheinlich die erhöhte Ausschüttung des Botenstoffes Dopamin im Gehirn eine Rolle. Wird Dopamin während des Spielens im Internet freigesetzt, erzeugt das Glücksgefühle: Das Verhalten wird belohnt. Mit der Zeit wird das dopaminerge System zunehmend für das Verhalten sensibilisiert und reagiert besonders stark, wenn der Betroffene im Internet ist. Andere Reize können mit diesem Glücksgefühl nicht mithalten und werden immer weniger beachtet. Das Internet wird jedoch immer häufiger aufgesucht, um das gute Gefühl wieder zu erleben.

Internetsucht: Untersuchungen und Diagnose

Wenn Sie Anzeichen einer Internetsucht bei sich oder Ihren Angehörigen oder Freunden bemerken, sollten Sie sich möglichst bald an eine Klinik oder einen Therapeuten wenden. Diese können anhand von Fragebögen in einem Gespräch bestimmen, ob das Verhalten Suchtcharakter hat oder nicht.

Das Erstgespräch

Für die Internetsucht ist nicht alleine die Zeit ausschlaggebend, die der Betroffene vor dem Computer sitzt oder mit dem Smartphone surft. Entscheidend für die Internetabhängigkeit ist auch, dass das Verhalten aus einem inneren Zwang heraus ausgeführt wird. Folgende Fragen könnte der Therapeut bei einem Erstgespräch stellen:

  • Nehmen Sie sich häufig vor, weniger Zeit im Internet zu verbringen, aber schaffen dies nicht?
  • Fühlen Sie sich unruhig oder gereizt, wenn Sie nicht im Internet sind?
  • Beschweren sich ihre Mitmenschen darüber, dass Sie zu viel Zeit im Internet verbringen?
  • Vernachlässigen Sie Ihre Freunde, Hobbies oder Verpflichtungen, um mehr Zeit im Netz verbringen zu können?
  • Denken Sie häufig über Ihre Tätigkeiten im Internet nach, wenn Sie nicht im Netz sind?

Abgesehen von den spezifischen Fragen zur Internetsucht, wird sich der Therapeut nach der familiären und beruflichen Situation erkundigen. Vor allem bei Jugendlichen ist es notwendig, die Familie miteinzubeziehen. Zum einen können die Familienmitglieder wichtige Hinweise für die Diagnose liefern. Zum anderen sollte auch die Familie über die Internetsucht informiert werden und lernen, wie sie den Betroffenen unterstützen kann.

Diagnose Internetsucht

Die Internetsucht wird zurzeit noch den Störungen der Impulskontrolle zugerechnet und ist kein eigenständiges Störungsbild in den Klassifikationssystemen. Die Frage, ob Internetsucht zu den Süchten gezählt werden kann, steht noch zur Diskussion. Denn im Gegensatz zu den stoffgebundenen Süchten, wie zum Beispiel der Alkoholsucht, kann bei der Internetsucht keine körperliche Abhängigkeit nach einem Stoff entstehen. Viele Experten sprechen sich dafür aus, die Abhängigkeit vom Internet als eigenständige Sucht zu definieren, da Internetsüchtigen eine psychische Abhängigkeit zeigen.

Da es keine einheitlichen Kriterien für die Diagnose der Internetsucht gibt, orientieren sich Psychologen und Ärzten an den Kriterien der Sucht. Ein häufig eingesetzter Test zur Diagnose der Internetabhängigkeit ist der Internet Addiction Test (IAT) von Young. Dieser orientiert sich an den Abhängigkeitskriterien des Diagnostischen und Statistischen Leitfadens psychischer Störungen (DSM).

Bis die Internetsucht als eigene psychische Störung anerkannt ist, bietet das DSM-V folgende Anzeichen als Diagnosekriterien der Internetsucht an:

  • Starkes Verlangen nach und ständige Beschäftigung mit dem Internet
  • Entzugserscheinungen, wenn der Internetzugang weggenommen wird
  • Toleranzentwicklung mit zunehmender Ausdehnung des Internetgebrauchs
  • Erfolglose Versuche die Internetnutzung zu kontrollieren
  • Weitere Nutzung des Internets, obwohl die negativen Konsequenzen bekannt sind
  • Verlust anderer Interessen und Hobbies abgesehen vom Internet
  • Nutzung des Internets, um schlechte Stimmungen abzubauen
  • Familienmitglieder und andere Menschen werden hinsichtlich des Ausmaßes der Internetnutzung belogen
  • Gefährdung wichtiger Beziehungen oder der Arbeitsstelle durch den Internetgebrauch

Mindestens fünf dieser Kriterien müssen in einem Zeitraum von zwölf Monaten auftreten.

Ein recht neues Hilfsmittel für die Diagnose Internetsucht ist das AICA-SKI:IBS. Mit dem Kürzel wird ein Strukturiertes Klinisches Interview zu Internetbezogenen Störungen bezeichnet. Es wurde vom Fachverband Medienabhängigkeit zusammen mit Kollegen der Ambulanz für Spielsucht Mainz entwickelt.

Internetsucht: Behandlung

Welche Behandlungen bei Internetsucht besonders effektiv sind, ist aufgrund geringer wissenschaftlicher Untersuchungen zu diesem Thema noch unklar. Immer mehr Therapeuten bieten mittlerweile Hilfe speziell für die Onlinesucht an. Einige Kliniken, wie zum Beispiel in Mainz oder in Bochum, haben eine eigene Ambulanz für Internetsucht eingerichtet. Zur Behandlung werden in der Regel verschiedene Therapieformen wie Einzel- und Gruppentherapie kombiniert.

Ambulante oder stationäre Behandlung der Internetsucht?

Eine Internetsucht kann sowohl ambulant, als auch stationär behandelt werden. Welche Form effektiver ist, hängt von der Schwere der Onlinesucht ab. Ein stationärer Aufenthalt ist empfehlenswert, wenn der Betroffene kaum noch Kontakt zur Außenwelt hat. Wenn das Internet wichtiger geworden ist, als Freunde, Familie und Job oder Schule, hilft oft nur noch die Behandlung in einer Klinik. Im klinischen Umfeld ist es für die Internetsüchtigen schwieriger, in alte Muster zurückzufallen. Der Tag wird neu strukturiert, und das Internet steht nicht mehr im Mittelpunkt des Lebens.

Kognitive Verhaltenstherapie der Internetsucht

Ein wichtiger Bestandteil der Behandlung ist die Kognitive Verhaltenstherapie. Der erste Schritt in der Behandlung besteht darin, den Betroffenen und auch seine Angehörigen ausführlich über die Internetsucht und ihre Folgen zu informieren (Psychoedukation). Das Wissen über die Erkrankung soll den Patienten in seiner Eigenverantwortung stärken.

Im Rahmen der kognitive Verhaltenstherapie soll der Betroffenen lernen, problematische Denkmuster zu erkennen und diese zu verändern. Die Internetsüchtigen werden dabei unterstützt, das abnormale Verhalten zu verlernen und einen kontrollierten Gebrauch oder auch den vollständige Verzicht zu erreichen.

Viele Menschen, die der virtuellen Welt verfallen, fühlen sich dort wohler als im echten Leben. Eine häufige Sichtweise der Patienten ist, dass sie im Internet eine Bedeutung haben und im echten Leben nicht. In der Therapie lernt der Betroffene, seine Rolle im Internet selbstkritisch zu hinterfragen. In Onlinespielen wie zum Beispiel „World of Warcraft“ verkörpert die Person eine Figur (Avatar) in der virtuellen Welt und baut dort Freundschaften mit anderen Spielern auf. Im Rahmen der Therapie lernt der Patient, sich von seinem Avatar zu distanzieren und sich intensiv mit seinem realen Ich auseinanderzusetzen. Ein wichtiger Baustein in der Suchtbehandlung ist zudem der Aufbau von sozialen Kontakten in der realen Welt.

Weitere Behandlungsmethoden der Internetsucht

Neben den therapeutischen Einzelsitzungen spielt die Gruppentherapie eine wichtige Rolle in der Behandlung von Internetsucht. Der Patient kann sich dort mit anderen Betroffenen über seine Probleme austauschen. Der Kontakt zu realen Menschen und der Zusammenhalt in der Gruppe bieten einen Ersatz für die Kontakte im Internet. Für viele Patienten ist es eine Erleichterung zu sehen, dass sie mit ihrem Problem nicht alleine sind. Sie profitieren außerdem von den Erfahrungen der anderen Betroffenen im Umgang mit der Sucht.

Internetsucht: Krankheitsverlauf und Prognose

Die Internetsucht gilt zwar noch nicht als eigenständige Krankheit, die Sucht sollte jedoch in ihrer Schwere nicht unterschätzt werden. Die negativen Konsequenzen der Verhaltenssucht beeinträchtigen das Leben der Betroffenen enorm. Zu Beginn ist die Internetsucht kaum zu erkennen. Viele Menschen verbringen einen beträchtlichen Teil des Tages am Computer und sind dennoch nicht süchtig danach. Bei manchen Menschen rückt das Internet mit der Zeit jedoch immer mehr in das Zentrum der Aufmerksamkeit. Gibt der Betroffene Freizeitaktivitäten und Freunde dafür auf, ist das ein alarmierender Warnhinweis.

Die Anzahl der Internetsüchtigen nimmt stetig zu. Durch den ständigen Fortschritt der Medien und der Technik, vermuten Experten, dass die Problematik der Internetsucht sich weiter verschärfen wird.

Je länger eine Internetsucht unbehandelt bleibt, desto weitreichender werden die Probleme. Der Verlust von sozialen Kontakten sowie Schulabbruch oder Arbeitsverlust treiben die Betroffenen immer tiefer in einen Teufelskreis. Die reale Welt bietet dann kaum noch Anreiz, um den Computer auszuschalten.

Eine professionelle Unterstützung kann den Betroffenen die Rückkehr in ein normales Leben ermöglichen. Die Entwicklung von speziellen Hilfeangeboten für Internetsüchtige in Kliniken hat das Behandlungsangebot inzwischen deutlich verbessert. Als besonders effektiv hat sich bisher die kognitive Verhaltenstherapie zur Behandlung von Internetsucht erwiesen.

Autoren- & Quelleninformationen

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Wissenschaftliche Standards:

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern geprüft.

Autor:
Julia Dobmeier
Julia Dobmeier

Julia Dobmeier absolviert derzeit ihr Masterstudium in Klinischer Psychologie. Schon seit Beginn ihres Studiums interessiert sie sich besonders für die Behandlung und Erforschung psychischer Erkrankungen. Dabei motiviert sie insbesondere der Gedanke, Betroffenen durch leicht verständliche Wissensvermittlung eine höhere Lebensqualität zu ermöglichen.

ICD-Codes:
F63
ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.
Quellen:
  • Anil Batra: Praxisbuch Sucht: Therapie der Suchterkrankungen im Jugend- und Erwachsenenalter, Thieme 2016
  • Bilke-Hentsch, O. et al.: Praxisbuch Verhaltenssucht. Symptomatik, Diagnostik und Therapie bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, Thieme Verlag, 2014
  • Christoph Möller: Internet- und Computersucht: Ein Praxishandbuch für Therapeuten, Pädagogen und Eltern Kohlhammer, 2. aktualisierte Auflage, Juni 2015
  • Müller, K.: Spielwiese Internet. Sucht ohne Suchtmittel. Springer Verlag, 1. Auflage, 2013
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